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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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Freundschaft bewiesen hatte, auf ihn zu warten. Er dachte kurz an das in seiner Tasche steckende blutige Taschentuch, vergaß es dann aber gleich wieder. Sie würde schon nicht mit ihm in Berührung kommen, falls diese ominöse Krankheit sich wirklich als ansteckend herausstellte.
    „Passiert das öfters?“ erkundigte er sich.
    Sie bejahte. „Sie leben in einem Getto. Manchmal sieht man welche blutend durch die Straßen ziehen. Aber lassen Sie uns nicht mehr darüber sprechen. Wollen Sie bitte so freundlich sein und mich nach Hause begleiten?“
    Nirgendwo war ein Dreirad zu sehen, aber an der nächsten Ecke entdeckte er einen Rikschastand. Man hatte Boyd vor ihnen gewarnt, aber er verfügte, jetzt bei Nacht, über noch weniger Selbstvertrauen, das Mädchen sicher nach Hause zu bringen. Immerhin fühlte er sich aber reich: Das für das Essen bestimmte Geld würde offensichtlich jetzt nicht mehr kassiert werden.
    Näher heran gekommen, sah ihn einer der Männer dort durchdringend an. „Hörte, drüben war’n Bluter. Stimmt’s, oder nicht?“
    „Es stimmt. Es war einer da, aber es wird schon desinfiziert“, antwortete Boyd. „Ich habe Arbeit für Sie.“ Er nannte Ellens Adresse, die sie ihm zugeflüstert hatte, und dann seine eigene. „Was kostet die Hin- und Rückfahrt?“
    Der Preis war niedriger als erwartet – zu niedrig, um ihn wiederum nicht argwöhnisch zu machen. Aber er mußte es darauf ankommen lassen. „In Ordnung“, sagte er schließlich. „Also, ihr fünf Fahrer hier habt heute abend bestimmt vom Restaurant drüben kein Geschäft mehr zu erwarten. Vorschlag: Macht es unter euch aus, wer uns fährt.“
    Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie – darauf hoffte er – eine rechtschaffene Wahl unter sich treffen, eine bessere jedenfalls, als wenn er blind jemanden herauspickte. Er erinnerte sich, gehört zu haben, daß die meisten Arbeiter Gauner in ihren eigenen Reihen verabscheuten.
    Ohne Zögern bekam er zu hören: „Nehmen Sie Harry, den da.“ Der besagte Harry machte einen gutmütigen Eindruck. „Harry hat eben erst seine Schwester – zusammen mit ihren zwei Kindern – bei sich aufgenommen. An ’nem Abend wie heute braucht er’s besonders nötig.“
    Alle waren einverstanden. Boyd half Ellen in das kleine Vehikel hinein und quetschte sich neben sie. Harry setzte sich daraufhin in einen Zuckeltrab, mit dem er mühelos mit jedem Dreirad Schritt zu halten imstande war. Außerdem saß man wesentlich bequemer. Harry hatte oben an seinem Hut eine winzige Laterne befestigt, die er aber nicht zu benötigen schien. Meist wählte er einen gut beleuchteten Weg und mied die Straßen, von deren Ecken nur schwache Laternen herableuchteten. Boyds Mut stieg, als er unterwegs einen Nachtwachentrupp freundlich die Hand heben sah – obwohl das nach allem, was er von anderen Trupps gehört hatte, nicht unbedingt als Zeichen für Sicherheit zu werten war.
    Ellen saß anfänglich, auf Entfernung bedacht, in der anderen Ecke und beobachtete ihn heimlich. Jetzt aber entspannte sie sich und sah zum Himmel hoch, von dem die riesige Scheibe des Mondes auf sie herabschien. „Anders als mit zwei Monden, nicht wahr?“
    „Man kann keinen der beiden Marsmonde sehen“, erklärte er. „Sie sind zu klein. Um die Wahrheit zu sagen, sehe ich diesen auch zum erstenmal. Ich muß sagen, er ist genauso, wie ihn all die Poeten beschrieben haben.“
    „Alle nun auch wieder nicht“, wandte sie ein. Als er dann weiter nachforschte, um zu erfahren, was sie damit meinte, kicherte sie leise. Natürlich war der Mond oftmals bemüht worden, um alle möglichen romantischen Grillen zu erregen. Er lächelte in sich hinein. Das traf zwar nicht für Harry zu, ansonsten aber wurde das Mondlicht durchaus seinem Ruf gerecht. In seinem hellen Schein wirkten Ellens enganliegende Kleidung und ihre dunklen Augen ziemlich verführerisch auf ihn.
    Als sie in eine schmale Gasse einschwenkten, rief Ellen Harry zu, hier anzuhalten. „Den Rest gehe ich zu Fuß“, sagte sie. „Ist nur noch ein halber Block. Auf diese Weise brauche ich nicht komische Fragen zu beantworten. Sie sind sehr nett gewesen, Boyd. Danke, daß Sie nicht – ich meine, daß Sie ein Gentleman geblieben sind.“
    Sie beugte sich herüber und berührte seinen Mund leicht mit ihren Lippen.
    Harry kicherte hinter ihr her, machte aber keinerlei Anstalten zur Weiterfahrt, bevor er sie nicht ein ziemlich heruntergekommenes Haus hatte betreten sehen. „Echt nette Frau“,

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