Mit dem Feuer gespielt
1. KAPITEL
"Sieh ihn dir an." Isabella Fabrioni, von ihren Freunden nur Izzy genannt, deutete auf die Fotos von Clay Granger, die ausgebreitet vor ihr lagen. Sie zeigten Clay bei einer Wildwasserfahrt auf dem Colorado River, Clay, der von einer Klippe in Acapulco sprang, Clay, der mit den Stieren in Pamplona rannte. "Er sieht mehr denn je wie ein Kennedy aus."
Ihr Gastgeber, der spöttische Harry Shaw, stand hinter dem Tresen seiner Hausbar und grinste, während er ein Glas Ginger-Ale einschenkte und es mit einer Limonenscheibe garnierte. "Er sieht mehr wie ein Kennedy aus als die Kennedys selbst." Er reichte ihr den Drink. "Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?"
Izzy versuchte, auf dem Barhocker bequem zu sitzen, auf den sie geflüchtet war, nachdem sie festgestellt hatte, wie viele Leute Harry zu seiner Silvesterparty eingeladen hatte. "Nein", antwortete sie. "Aber ich bin auch erst seit Heiligabend wieder in New York. Zuletzt habe ich ihn vor ungefähr anderthalb Jahren gesehen, als ihr beide wegen dieses idiotischen Bungee-Springens nach San Francisco gekommen seid."
"Ja, richtig. Du hast uns vorher zu dir eingeladen. Nur Cla y Granger kann italienisch essen gehen und anschließend kopfüber von der Golden Gate Bridge springen." Er tippte auf eines der Fotos. "Schau dir das an."
Izzy betrachtete das Foto, das Clay mit Helm und Lederanzug flach auf dem Rücken liegend auf einem Ding zeigte, das aussah wie ein eisernes Bügelbrett auf Rädern, mit dem er einen Abhang hinunterraste. Im Hintergrund sah man die
vorbeifliegenden Heuballen. "Was ist das?"
"Straßenrodeln."
"Straßenrodeln?" Sie blinzelte und erkannte die gelbe Fahrbahnmarkierung auf dem Asphalt unter ihm.
"Es ist brutal einfach. Man braucht nur eine Straße, einen Straßenschlitten und stahlharte Bauchmuskeln." Harry rückte seine Yankee-Mütze zurecht, die er seit fünf Jahren ständig trug; Izzy vermutete, daß sie einen auf dem Rückzug befindlichen Haaransatz verbarg. Jemand reichte ihm ein Margarita-Glas, dessen Rand er mit Limone bestrich, in Salz tauchte und aus einem Mixer wieder auffüllte.
Izzy zeigte auf ein dramatisches Foto von Clay, der aus einem Flugzeug sprang. Mit den Füßen stand er auf einem Snowboard oder etwas Ähnlichem. "Und hier?"
"Da macht er Sky-Surfing. Nichts für Leute mit schwachen Nerven."
"Oder mit einem Funken gesunden Menschenverstand." Sie nippte an ihrem Drink. Harry legte eine neue CD ein. Da er der einzige Country-Fan in Westchester County war, fand Harry, daß es seine Pflicht war, die Leute zu erziehen. Einige Gäste beschwerten sich lautstark, doch Harry grinste nur und zeigte ihnen einen Vogel. "Wie hast du das Sky-Surfing-Foto geschossen?" Wollte Izzy wissen.
"Ich mußte mit dem Fallschirm vor ihm aus dem Flugzeug springen."
Sie schüttelte den Kopf. "Es hat sich nichts geändert.
Erinnerst du dich daran, es muß in der zwölften Klasse gewesen sein, als Clay dich überredete, ihn zu fotografieren, während er außen am Chrysler Building hinaufkletterte? Du mußtest hinter ihm herklettem."
"Es war das Flatiron Building", korrigierte Harry. "Und ich mußte voranklettern, damit ich ihn von oben fotografieren konnte. Es war für das Jahrbuch."
"Was ich damit sagen will, ist, zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, und nichts hat sich geändert. Du folgst diesem Verrückten noch immer mit einer Kamera um die Welt und hältst jeden seiner schwachsinnigen Stunts für die Nachwelt fest."
"Ja, aber jetzt werde ich dafür bezahlt."
"Als hättest du das Geld nötig." Das klang sehr gehässig, dachte sie und leerte die Hälfte ihres Drinks. Es war schließlich nicht Harrys Schuld, daß er in eine millionenschwere Familie hineingeboren worden war.
Er hob eine Braue. "Ist es wieder die Zeit im Monat, Sweetheart?"
Nein, dachte sie und schaute durch die Glastüren auf das Schneetreiben. Und genau das ist das Problem. Die "Zeit im Monat" war nämlich schon viel zu lange ausgeblieben: Sie nahm sich zusammen, denn immerhin war sie auf diese Party
gekommen, um ihr Elend zu vergessen, und sei es nur für ein paar Stunden. "Es ist nur so, daß das Thema Geld momentan ..."
Jammere nicht, befahl sie sich. "Vergiß es. Ich bin hier, um mich zu amüsieren, nicht um dir die Party zu ruinieren."
Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tresen. "Komm schon, ich weiß, daß du Sorgen hast. Eine Frau in den Dreißigern läßt nicht einfach ohne Grund einen Traumjob in San Francisco sausen, um wieder zu den Eltern zu
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