Das Ende - Alten, S: Ende
Gesetze zu ändern, sei es mittels großzügiger Spenden, politischer Gefälligkeiten oder Wahlkampfunterstützung. Es war der militärisch-industrielle Komplex, der Herr im Hause war, und die neue Chance hieß biologische Kriegsführung. Im Gegensatz zu Waffensystemen konnten Gelder für die biologische Kriegsführung versteckt und unter allem Möglichen budgetiert werden, vom Heimatschutz bis zum Nationalen Krebsinstitut, oder man konnte sie Privatfirmen wie Battelle anvertrauen.
Natürlich galt es auch praktische militärische Anwendungen in Betracht zu ziehen.
Für Ernest Lozano und die »Pentagon-Piranhas«, mit denen er Geschäfte machte, war biologische Kriegsführung das Ding der Zukunft. Ölraffinerien und Erdgas-Pipelines waren lebenswichtige Einrichtungen, die geschützt werden mussten; ohne sie würden Bevölkerungen hungern, würden Volkswirtschaften zusammenbrechen.
Panzer und Soldaten waren nützlich, aber ihre Ressourcen waren begrenzt durch die Verfügbarkeit von Stahl und Fleisch. Eine biologische Waffe war sauber, schnell und tötete unterschiedslos. Außerdem konnten Verbündete in der Pharmaindustrie jede Menge Gewinne einfahren, wenn der Zeitpunkt kam, ein Mittel in großen Mengen zu produzieren. Die Schweinegrippe-»Epidemie« war ein Probelauf gewesen – und ein durchschlagender finanzieller Erfolg.
Lozano ging zu der letzten Limousine. Er warf einen Blick auf das Kennzeichen und gab dann der Chauffeurin ein Zeichen, einer kurzhaarigen Frau in den Vierzigern, deren schwarzer Rollkragenpullover nur notdürftig die Statur einer Bodybuilderin und ihre seitlich getragene Neunmillimeter verbarg.
Wie Lozano war auch Sheridan Ernstmeyer früher bei der CIA gewesen. Doch im Gegensatz zu Lozano hatte Sheridan sich für Kampf statt Kohle entschieden, als sie dem Joint Special Operations Command (JSOC) beitrat. Das JSOC war ein unabhängiger Flügel des United States Special Operations Command und von jeglicher Aufsicht durch Kongress oder Ministerien ausgenommen. Gegründet nach dem 11. September, war die Einheit als Attentatskommando eingesetzt worden, um vermeintliche Feinde der Vereinigten Staaten im In- und Ausland auszuschalten.
Sheridan entriegelte die Türen und ließ Lozano in die Limousine einsteigen. Im Fond saß alleine ein agiler dreiundsiebzigjähriger Mann. Das seidige weiße Haar wich einer einsetzenden Stirnglatze, wodurch die graublauen, leicht nach oben gerichteten Augen größer wirkten – ein Effekt, der aus einer kürzlich erfolgten Gesichtsstraffung resultierte.
Bertrand DeBorn, der in Washingtoner Kreisen als »skrupelloser Geist« bekannt war, hatte sein Image als zäher Bursche in den späten Siebzigern begründet, als er und zwei seiner außenpolitischen Beraterkollegen in der Carter-Regierung während eines dreitägigen Jagdausflugs in der Wildnis von Alaska als vermisst gemeldet wurden. Eine Such- und Rettungsmission war schon über eine Woche im Einsatz, als DeBorn, wie verlautet, von Holzfällern knapp dreißig Kilometer südwestlich seiner Jagdhütte gefunden wurde, »im Delirium, dehydriert und mit schweren Erfrierungen«. Gerüchte über einen »schweren Bärenangriff« wurden bewusst vage gehalten, die einzigen nachweisbaren Verletzungen rührten von den Erfrierungen her, die DeBorn an jedem Fuß zwei Zehen kosteten.
Die Überreste seiner Kollegen, die politisch mehr zu den Tauben als zu den Falken neigten, wurden nie gefunden.
Durch die Adern des Nationalen Sicherheitsberaters floss alteuropäisches Blut. DeBorns Großvater väterlicherseits hatte als junger Mann Stalins Großen Terror überlebt, indem er zu Fuß von Sibirien nach Warschau geflüchtet war. Sobald er Polen erreicht hatte, gab er vor, der Linie der Kommunistischen Partei zu folgen, um dem Erschießungskommando zu entgehen. DeBorns Vater, Wassili, hatte sich, was seinen Hass auf den Totalitarismus betraf, sehr viel freimütiger geäußert. Während des Kalten Krieges arbeitete Wassili heimlich als Korrespondent und schmuggelte Briefe aus Polen heraus, die ausführlich über Folter durch das kommunistische Regime berichteten.
Als Bertrand elf Jahre alt war, hatte er die Verhaftung seines Vaters durch die Geheimpolizei mitansehen müssen.
Während der nächsten sechs Monate wurde Wassili DeBorn im Gefängnis gefoltert, bevor man ihn schließlich hinrichtete.
Den Rest seines Lebens widmete Bertrand der Bekämpfung des Kommunistischen Manifests. Im Washington der 1970er- und 1980er-Jahre fanden
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