Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
eines Lokals oder ein Produkt häufig und scheinbar unerwartet im Gehirn aufleuchten. Vielleicht wissen wir gar nicht, warum wir plötzlich an Burger King denken, aber es ist ganz sicher Marketing im Spiel.
Eine gute Werbekampagne ist bereits eine Verstärkung, die uns dazu verlockt, uns verstärkende Nahrung zu verschaffen. Damit hat die Wirtschaft ein Werkzeug geschaffen, das den Verstärker
verstärkt–und sie tut weiterhin alles Erdenkliche, um diese Wirkung zu intensivieren.
Mit der Fähigkeit, Superreize zu erzeugen und diese auch perfekt zu vermarkten, haben die Konzerne den Code zum konditionierten Überessen geknackt. Sie wissen genau, wie sie unser Essverhalten manipulieren können. Sie kennen die Programmierung, die uns dazu bringt, ihren Produkten nachzulaufen. Wie wollen wir darauf reagieren?
43 | Wie wir uns wehren können
Viele Lebensmittelhersteller würden nur zu gern die ganze Welt auf Essen konditionieren, damit sie mehr verkaufen können. Aber dagegen können wir uns zur Wehr setzen. Auch wenn das Zusammenspiel der menschlichen Biologie, persönlicher Erfahrungen und einer entschlossenen Industrie erklären mag, warum wir so viel in uns hineinschlingen, entscheiden letztendlich wir selbst, ob wir diesem Triumvirat gestatten, unser Verhalten zu lenken. Dass die Firmen zu dem Problem beitragen und daraus ihren Nutzen ziehen, macht uns nicht zum hilflosen Spielball.
Wenn man uns geschmacksoptimierte Nahrung anbietet, haben wir nicht die Pflicht, sie zu essen. Wir müssen sie auch nicht bestellen, bloß weil sie auf der Speisekarte steht. Doch dazu brauchen wir mehr als reine Willenskraft; wir müssen uns Fähigkeiten antrainieren, die den Reiz abkühlen, und diese immer wieder üben. Die Anonymen Alkoholiker erklären Alkoholsüchtigen, dass sie keine Schuld an ihrer Erkrankung tragen–aber die Verantwortung für ihr Verhalten. Damit wird anerkannt, wie empfindlich ein Alkoholiker auf Alkohol reagiert, ohne dass dies eine Ausrede für sein Trinken ist.
Die kognitive Beherrschung eines Automatismus ist eine der großen Herausforderungen des Menschen. Viele von uns reagieren automatisch auf den Lockruf von Alkohol, Drogen, Sex oder Essen und verhalten sich dabei anders, als sie eigentlich wünschen. Der daraus entstehende Konflikt verleiht dem Reiz noch mehr Macht. Wir können am ehesten so handeln, wie wir wollen, wenn wir die widerstreitenden Wünsche zusammenführen.
Man kann lernen, das Gewünschte auf geplante, kontrollierte Art zu essen. Das kann jeder für sich üben und mit der Zeit immer besser beherrschen.
Als Gesellschaft können wir die Faktoren identifizieren, die Überessen forcieren, und Gegenmaßnahmen ergreifen, beispielsweise durch umfassende Nährwertangaben, Aufklärungskampagnen, Marketingauflagen und eine andere Einstellung dazu, welches Verhalten gut und angemessen ist. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit unseren Vorstellungen über den richtigen Zeitpunkt und Ort zum Essen im beruflichen wie privaten Umfeld.
Wir können ein langes, gesundes Leben führen, ohne Alkohol, Tabak oder andere schädliche Substanzen zu uns zu nehmen. Deshalb greift bei derartigen Abhängigkeiten das Prinzip der Abstinenz. Essen hingegen ist lebenswichtig, und darum brauchen wir andere Strategien zur Veränderung unserer Wahrnehmung von Megareizen, die wir irgendwie in Schach halten müssen. Nicht nur für den Einzelnen, der auf Überessen konditioniert ist, sondern auch für eine verantwortungsbewusste Industrie besteht das Hauptziel in Nahrung, die emotional belohnt, ohne Überessen auszulösen.
Wer Menschen von heißen Reizen abbringen will, greift gern auf Ersatzbelohnungen zurück. Die Programme der Anonymen Alkoholiker, von Al-Anon und von Narcotics Anonymous bieten die Gemeinschaft mit anderen an, die unter ähnlichen Problemen leiden. Bewegung kann bestimmte Gelüste lindern, weil sie im Gehirn dieselben chemischen Belohnungen erzeugt wie Nahrung.
Häufig stellen andere Speisen, die nicht zum Überessen animieren, aber trotzdem befriedigen, einen guten Ersatz da. Finden Sie selbst heraus, was gegen negative Gefühle hilft, ohne gleich so überladen und kalorienreich zu sein wie Industrieessen.
Hilfreich ist auch die Überprüfung unserer automatischen Reaktionen. Bei vielen Reiz-Reaktions-Störungen gehört das Zurückweisen der Provokation zum Behandlungskonzept. Manche Ansätze holen das Begehren aus seinem inneren Versteck und verschieben es nach außen, damit man es
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