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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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wie besessen von seiner Liebe – »es war, als hätt eine Krankheit in mir gesteckt«. Hanna sollte nur bis zum 1 . April in der Stadt bleiben, und Samuel August wußte, daß dann, wenn er mit dem, was er auf dem Herzen hatte, nicht bis dahin herausrückte, alles aus war. Wenn er aber schließlich und endlich damit herausrückte und einen Korb erhielt, dann war auch alles aus. Es war gehupft wie gesprungen – aber fragen mußte er, da half alles nichts. Doch ein Abend nach dem anderen verging, Samuel August trank mit Todesverachtung Tee, aber er fragte nicht. Mit Entsetzen sah er den 1. April nahen, aber er fragte nicht. Schließlich wurde es der r. April, und es wurde Abend, ein naßkalter, unfreundlicher Abend mit Schneeregen, und am nächsten Tag sollte Hanna abfahren. Zum letztenmal trank Samuel August mit ihr Tee, und zum letztenmal f ü hrte er sie zu einem Spaziergang aus. Sie gingen und gingen, aber Samuel August fragte nicht. Schließlich wurde ihm klar, daß es jetzt sein Leben galt.
    »Mag's gehn, wie's will, schweigen kann ich nicht länger«, dachte er. Ja, es war auch bei Gott in der letzten Minute!
    Er hatte seine Liebste zum Park an der Kirche ge fü hrt. Dort wuchs eine Traueresche, und darunter stand eine Bank, und auf diese Bank setzten sie sich. Am 1 . April 1903 des Nachts um elf Uhr im wilden Schneetreiben – o Liebe! Wie recht hat doch der Apostel, wenn er sagt: Die Liebe, sie verträgt alles und duldet alles!
    Jetzt endlich brachte es Samuel August über sich, mit seiner Frage herauszurücken.
    »Meinst, daß du und ich zusammen glücklich leben könnten?«
    Darauf antwortete Hanna:
    »Mit unserer Macht ist nichts getan!«
    Sie kam aus einem tiefreligiösen Heim und glaubte wohl, daß bei einer so ernsten Sache Gottes Beistand vonnöten se 1. Ihre Kinder aber sind mit der Antwort, die Samuel August damals erhielt, nie recht zufrieden gewesen. Er hätte doch einen eindeutigeren Bescheid gebraucht und auch verdient. Hanna jedoch war nicht bereit, uneingeschränkt ja zu sagen. Aber immerhin war es doch so, daß Samuel August die Bank unter der Traueresche zu Recht als »den Platz, wo mir der Stern der Hoffnung aufging«, bezeichnen konnte. Sogar einen Kuß bekam er im Schneegestöber, den allerersten.
    Was aber wurde aus dem Monogramm? 0 ja, auch das bekam er so mit der Zeit, und Hanna nähte es ihm eigenhändig in den Hut. Stehend. Samuel August stand daneben und leuchtete ihr mit Streichhölzern, wobei er sich die Finger verbrannte. Denn es war ein dunkler Abend und eine heimatlose Liebe.
    Erst 1905 fand sie ihre Heimat, bis dahin musste sie sich durch Briefe und kurze, zuf ä llige Stelldicheins am Leben erhalten. Diese Briefe gibt es noch immer, seit sieben Jahrzehnten liegen sie in einem braunen Kästchen verwahrt. In ihrer Art sind es erstaunliche Briefe, wenn man nämlich bedenkt, daß die Schreiber nur sechs Jahre lang und auch dann nur jeden zweiten Tag eine kleine Dorfschule besucht haben. Sie sind mit schöner Handschrift geschrieben, ganz besonders ihre, und es kommen nur wenige Schreibfehler darin vor. Und der Inhalt-ja, natürlich sind es nur ganz gewöhnliche Liebesbriefe, und als solche einzig für den interessant, der sie erhielt. Aber da ich diese Liebesgeschichte mit all ihrem Hin und Her und rührenden Drum und Dran nun einmal erzählen will – diese Liebesgeschichte, die mir deshalb so besonders ans Herz gewachsen ist, weil ich dabei ständig die Stimme meines Vaters höre, wenn er davon erzählte -, will ich nun auch ein paar Auszüge aus dem Inhalt des braunen Kästchens wiedergeben. Ich kann sie ja nennen: »Stilproben aus etlichen Liebesbriefen junger Bauersleute zu Beginn des 20. Jahrhunderts nebst einigen Einblicken in ihr Alltagsleben«.
    Wer anderer Leute Liebesbriefe nicht lesen mag, kann ja ein paar Abschnitte überspringen.
    Der erste, den Samuel August nach dem Abend unter der Traueresche schrieb, ist voller Dankbarkeit über »jedes Beisammensein, welches wir hatten, da Du in Vimmerby weiltest«. Und er fährt fort: »Es gab keinen einzigen Tag, ja kaum eine Stunde, da Du nicht in meinen Gedanken warst, seit Du hier weiltest, mein Liebling. Ich hoffe, Du mögest mich nicht vergessen und wissen, daß ich immerdar in Deinem Herzen ruhen mag- Du bist ja das Ideal unter den Frauen.«
    Er schließt seinen Brief » O h, meine Liebste, zweifle nie an meiner Liebe, denn sie ist wie ein Fels.«
    Und dann kommt ein wenig trocken hinterh er:
    »Dein stets ergebener S.

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