Das Erbe der Apothekerin - Roman
eine zur Ehe Versprochene gefordert – und von der reichsstädtischen Administration tatsächlich erhalten hatte! –, erschreckte sie ob ihrer Dreistigkeit. Sie war sich sicher, dass Mauritz dem Stadtoberhaupt und den Richtern einiges dafür geboten hatte. Das aufrechte Gemüt der einfachen Frau fühlte sich angewidert von den Mauscheleien ihres Gatten.
»Ich gehöre nicht hierher«, hatte sie ihrem Mann gleich am ersten Tag nach der Beerdigung ihres Schwagers klargemacht, als der sich wie selbstverständlich im mit Rindsleder bezogenen und gepolsterten Lehnstuhl des verstorbenen Hausherrn in der »guten Stube« niederließ, um sich von einer Dienstmagd den Abendtrunk servieren zu lassen.
»Und du auch nicht, Mauritz«, hatte Margret, die sich zum Ärger ihres Mannes um die Gegenwart der Magd nicht bekümmerte, hinzugefügt. »Das Bier könnte ich dir, wie sonst auch immer, selber kredenzen, meinst du nicht?«
Das Mädchen, ahnend, dass schlechte Stimmung im Haus herrschte, stellte den Krug vor Mauritz auf den mit einer fein bestickten Tischdecke dekorierten Eichentisch, wünschte »Wohl bekomm’s Euch, Herr« und verzog sich augenblicklich. Sie handelte damit gemäß der alten Gesindeweisheit:
»Wenn bei der Herrschaft Feuer unterm Dach ist, sollten die Dienstboten sich unsichtbar machen. Sie können ja an der Türe lauschen …«
»Ich weiß gar nicht, was du hast, Margretle«, versuchte der neue Herr des Anwesens sich dumm zu stellen. »Es geht uns doch gut hier.«
»Viel zu gut, Mauritz! Und alles auf Kosten der wahren Erbin, die du zu den Nonnen verbannen willst! Ich hatte bisher keine Hilfe im Haushalt und soll jetzt über ein gutes Dutzend Knechte und Mägde das Regiment führen. Ich kann
meine Sachen selbst erledigen; ich war immer eine gute Hausfrau!«
»Natürlich, Margretle, natürlich! Aber du sollst es jetzt besser haben und mehr anschaffen, als eigenhändig tun. Immerhin gehören wir jetzt zu den Stadthonoratioren, und du bist eine Dame geworden.«
»Ha! Dass ich nicht lache! Ich und eine Dame! Das will ich gar nicht sein. Vor allem nicht, wenn ich weiß, dass unser neuer Besitz und Stand auf Bauernfängerei beruht. Hast du gar keine Angst vor Albrecht und Konrad Grießhaber? Was glaubst du, was die beiden sagen werden, wenn sie erfahren, dass du das Mädle, das ihre Schwiegertochter beziehungsweise Ehefrau hätt’ werden sollen, um ihr Erbe geprellt hast? Und dass es Lüge war, als du behauptet hast, die Magdalena wolle gar nimmer heiraten? Meinst du, sie sind blöd und nehmen das so einfach hin?«
Mauritz grinste und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck von dem süffigen Braunbier. Eine ganze Flasche eines hervorragenden Roten hatte er bereits zur Abendmahlzeit konsumiert. Den hatte die Köchin extra aus dem gut sortierten Weinkeller seines toten Bruders holen müssen. Das Bier stellte jetzt gewissermaßen seinen Schlummertrunk dar.
»Die Grießhaber’schen habe ich schon ruhiggestellt«, gab er Margret seelenruhig zur Antwort, sobald er sich mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte.
»So? Wie denn?« Margret schaute ihren breitbeinig und behäbig am Tisch sitzenden Mann misstrauisch an.
Mauritz winkte seine Gattin näher zu sich heran. »Ich hab’ ihnen – übrigens genau wie unserem Schultheiß – weisgemacht, dass das Mädle nicht nur den Konrad nimmer ehelichen mag, sondern es sich überhaupt ganz anders überlegt hat! Und dass die Magdalena sich bloß nicht getraue, die Verlobung
öffentlich zu lösen, obwohl sie keineswegs als Schülerin zu den Nonnen am Bodensee gegangen sei, sondern schon nach ganz kurzer Zeit um die endgültige Aufnahme in den Orden gebeten habe.
Sie sei inzwischen längst eine ordentliche Klosterfrau, weil – so habe ich einfach behauptet – mein Herr Bruder noch vor seinem Tod mit einer doppelt so hohen Mitgift als normalerweise üblich nachgeholfen habe. Georg habe der geliebten Tochter den Wunsch, Nonne zu werden, einfach nicht abschlagen können …«
»Das hast du getan?«
Margret Scheitlin, die ganz blass geworden war, versagte schier die Stimme.
»Schlau, was?«, brüstete sich ihr Eheherr und setzte erneut den eineinhalb Liter fassenden Bierhumpen mit zwei Händen an die Lippen.
»Magst auch einen Schluck, Gretle?«, fragte er dann gönnerhaft und schob seiner Frau den Krug hin.
»Von dir will ich gar nix mehr, Mauritz!«, rief diese und sprang von ihrem gepolsterten Stuhl auf. »Du bist nichts weiter als ein ganz schäbiger
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