Das erste der sieben Siegel
können. Aber da ging auch schon die Fliegentür auf, und Vaughn kam herein, eine abgesägte Schrotflinte in der Hand, wie eine Aktentasche – ohne sie auf jemanden zu richten, was schließlich nicht nötig war. Der Franzose folgte direkt hinter ihm mit mehreren Plastikfesseln, wie sie die Polizei benutzt, wenn sie viele Leute auf einmal festnimmt. Tommy war draußen auf der Veranda und hielt Wache.
»Okay, jetzt hört mal gut zu«, sagte Vaughn. »Ihr macht genau, was wir euch sagen, dann seid ihr uns in zehn Minuten wieder los. Versprochen, okay?«
Harry Bergman legte einen Arm um seine Frau und nickte, nicht so sehr, weil er zustimmte, sondern weil er viel zu viel Angst hatte, etwas zu sagen.
Dann trat der Franzose mit den Handfesseln hinter sie, und mit einem unpassenden »S’il vous plaît« nahm er sachte Harrys Arm von der Schulter seiner Frau. Er zog die Arme des älteren Mannes nach hinten auf den Rücken, schlang die Plastikkordel um Harrys Handgelenke und zog fest zu. Danach wandte er sich der Frau zu und fesselte sie ebenfalls.
»Phantastisch«, sagte Vaughn und wandte sich Susannah zu. »Du weißt, was du zu tun hast, ja?«
Susannah nickte – rasche, ruckartige Bewegungen mit dem Kopf – und sah zu, wie die Bergmans nach draußen geführt wurden. Als sie durch die Tür gingen, hörte sie Vaughn sagen: »Übrigens, ich habe gestern mit eurem Sohn gesprochen und soll herzliche Grüße bestellen.«
Man konnte förmlich hören, wie sie nach Luft schnappten.
Dann schlug die Fliegengittertür zu, und Mr. Bergmans Stimme erhob sich, verängstigt und langsam anschwellend, wie ein kleiner Hund, der sein Revier vor einem Rottweiler verteidigt: »Was haben Sie vor? Wohin bringen Sie uns?« Und Vaughns Stimme, ruhig und sachlich: »Bloß zum Wagen …«
Na ja, sozusagen, dachte Susannah, und ein Schauder durchlief sie, als sie ein Taschentuch hervorholte und die .38er abwischte. Dann legte sie die Pistole zurück in die Schublade und wischte ihre Fingerabdrücke von dem Holz und dem Telefon. Was noch? Sie sollte den Fernseher ausmachen und auch das Licht und die Haustür hinter sich zuziehen. Es sollte so aussehen, als wären sie bloß –
Plötzlich zerriss ein angstvolles, fast barbarisches Brüllen die Luft, ein prähistorischer Aufschrei blanken Entsetzens. Im gleichen Moment verstummten alle abendlichen Geräusche, und Susannah rannte erschrocken und unwillkürlich los, reagierte auf die primitive Anziehungskraft der Angst eines anderen Menschen.
Als sie gerade von der Veranda sprang, sah sie Tommy. Er kam von hinten um den Transporter herum, mit schnellem Schritt und gesenktem Kopf, den Mund geöffnet und hektisch blinzelnd. »Was ist passiert?«
Tommy schüttelte bloß den Kopf und setzte sich hinter das Lenkrad. »Geh da nicht hin«, sagte er.
Aber wie hätte sie das nicht tun können?
Als sie um die Ecke bog, sah sie den Mann – Mr. Bergman – auf der Erde, und sein Körper zitterte, als hinge er an einem unsichtbaren Starkstromkabel. Ein kurzes Stück dahinter lag die Frau auf dem Bauch in der Einfahrt. Der Franzose hielt sie fest, eine Hand in ihrem Nacken und ein Knie in ihr Kreuz gedrückt. Einen kurzen Augenblick lang trafen sich die Blicke von Susannah und der Frau, und es war, als erbebte die Nacht zwischen ihnen. Dann trat Vaughn über den noch zuckenden Körper des Mannes hinweg, hockte sich neben die Frau und verabreichte ihr eine Spritze hinten in die Schulter, durchstach das dünne Baumwollkleid, das sie trug.
Im selben Moment weiteten sich die Augen der Frau, verdrehten sich und wurden weiß. Die Verbindung zwischen ihr und Susannah, eine Doppelleitung aus Hass und Mitleid, zerriss, als zehn Kubikzentimeter pharmazeutisches Morphin in ihr Herz rauschten. Sie verkrampfte sich für einen langen Augenblick, erschlaffte dann genauso plötzlich wieder. Schließlich schwand auch die letzte Spannung aus ihrem Körper, und sie war tot.
Es dauerte eine Sekunde, bis Susannah merkte, dass sie immer noch die Luft anhielt. Als sie ausatmete, meinte sie erklären zu müssen, warum sie gekommen war. »Ich habe ein Geräusch gehört«, sagte sie.
Vaughn stand auf und nickte. »Das war der Typ. Er ist ausgeflippt, als er die Spritze sah.«
Der Franzose kletterte hinten in den Wagen, wo zwei Zweihundert-Liter-Fässer neben einem Metalltisch bereitstanden. Der Boden war mit schwarzen Polyäthylenbahnen bedeckt. An der Decke waren eine ganze Reihe Lampen befestigt, und der Franzose
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