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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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und setzte sich, um wieder einzuschlafen.
    Auch die neuen Seher, sagte Don Juan, hätten sich gegen die bizarren Praktiken der alten Seher aufgelehnt und sie nicht nur als nutzlos, sondern auch als gefährlich für unser ganzes Dasein betrachtet. Sie gingen sogar so weit, diese Techniken aus der Unterweisung neuer Krieger zu verbannen; und generationenlang wurden diese Praktiken nicht einmal erwähnt. Erst zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, erzählte er, sollte der Nagual Sebastian, ein Angehöriger der direkten Nagual-Schule Don Juans, die Existenz dieser Techniken wiederentdecken.
    »Wie entdeckte er sie wieder?« fragte ich.
    »Er war ein überlegener Pirscher und erhielt durch seine Makellosigkeit die Chance, Wunder zu erfahren«, erwiderte Don Juan.
    Eines Tages, so erzählte er, wollte der Nagual Sebastian gerade mit seinen täglichen Pflichten beginnen - er war Küster an der Kathedrale der Stadt, in der er lebte -, als ein er einen Indianer mittleren Alters entdeckte, der offenbar vor dem Kirchenportal in Schwierigkeiten war.
    Der Nagual Sebastian trat zu dem Mann und fragte ihn, ob er Hilfe brauche. »Ich brauche in wenig Energie, um meine Lücke zu schließen«, sagte der Mann mit lauter, klarer Stimme. »Möchtest du mir etwas von deiner Energie abgeben?« Der Überlieferung zufolge, so sagte Don Juan, sei der Nagual Sebastian sprachlos vor Staunen gewesen. Er wußte nicht, wovon der Mann redete. Er bot an, den Indianer zum Pfarrpriester zu führen. Der Mann wurde ungeduldig und beschuldigte den Nagual Sebastian mit bösen Worten, er weiche der Frage aus. »Ich brauche deine Energie, weil du ein Nagual bist«, sagte er. »Laß uns unauffällig fortgehen von hier.«
    Der Nagual Sebastian fügte sich der hypnotischen Kraft des Fremden und folgte ihm willig in die Berge. Er blieb tagelang verschwunden. Als er wiederkehrte, hatte er nicht nur eine neue Auffassung von den alten Sehern, sondern wußte auch detailliert über ihre Techniken Bescheid. Der Fremde war ein alter Tolteke gewesen. Einer der letzten Überlebenden. »Der Nagual Sebastian hatte etwas von den Wundern der alten Seher erfahren«, fuhr Don Juan fort. »Er war der erste, der wußte, wie phantastisch und irregeleitet sie eigentlich waren. Vor ihm war diese Kunde nur ein Gerücht.
    Eines Abends boten mein Wohltäter und der Nagual Elias mir eine Probe für diese irregeleiteten Praktiken. Tatsächlich zeigten sie sie Genaro und mir gemeinsam, und daher ist es nur angemessen, wenn wir beide jetzt dir diese Probe zeigen.« Ich wollte das Gespräch fortsetzen, um das Kommende hinauszuzögern. Ich brauchte Zeit, um mich zu beruhigen und alles zu überdenken. Doch bevor ich etwas sagen konnte, zerrten Don Juan und Genaro mich förmlich aus dem Haus. Sie schlugen den Weg zu jenen zerklüfteten Hügeln ein, die wir schon einmal aufgesucht hatten.
    Am Fuße eines langen, kahlen Hügels machten wir halt. Don Juan deutete auf einen Berg, fern im Süden, und sagte, daß es zwischen dem Ort, wo wir standen, und einem natürlichen Einschnitt an einem jener Berge - eine Scharte, die wie ein offenes Maul klaffte - zumindest sieben Plätze gäbe, wo die alten Seher alle Kraft ihrer Bewußtheit konzentriert hätten. Diese Seher, so sagte Don Juan, seien nicht nur kenntnisreich und verwegen gewesen, sondern hätten bei ihrem Unterfangen durchaus Erfolg gehabt. Sein Wohltäter, sagte er, habe ihm und Genaro einen Platz gezeigt, wo die alten Seher, getrieben von ihrer Liebe zum Leben, sich lebendig begraben und tatsächlich die rollende Kraft hinwegbeabsichtigt hätten.
    »An diesen Stellen gibt es nichts Auffälliges«, fuhr er fort.
    »Die alten Seher bemühten sich, keine Spuren zu hinterlassen. Es ist einfach eine beliebige Landschaft. Man muß sehen, um zu wissen, wo diese Plätze sind.«
    Er wolle nicht bis zu diesen fernen Plätzen laufen, sagte er, aber er würde mich zum nächstgelegenen hinführen. Ich erkundigte mich, was wir dort vorhätten. Er sagte, wir würden die begrabenen Seher sehen, und aus diesem Grund müßten wir, bis es dunkel würde, im Schütze einiger grüner Büsche bleiben. Er zeigte sie mir; sie waren etwa eine halbe Meile entfernt, oben an einem steilen Abhang.
    Wir erreichten dieses Gebüsch und setzten uns, so bequem es ging. Und dann erklärte er mir mit leiser Stimme, daß die alten Seher, um von der Erde Energie zu beziehen, sich für längere Zeit eingraben ließen - je nachdem, was sie erreichen wollten. Je schwieriger ihre

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