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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Furcht«, sagte Don Juan laut und in so sachlichem Ton, daß ich augenblicklich eine gewisse Orientierung wiederfand.
    »Los, singen wir wieder«, sagte er. »Laßt uns ein sinnvolles Lied singen - ich hab genug von Boleros.«
    Ich dankte ihm im stillen für seinen Ernst und seine Überlegenheit. Als ich sie »La Valentina« singen hörte, war ich so gerührt, daß ich zu weinen anfing.
    »Meiner Leidenschaft wegen, sagen sie, ist das Unglück auf meiner Spur.
     
    Es ist mir gleich
    und wäre es der Teufel selbst.
    Ich weiß, daß ich sterben muß.
    Valentina, Valentina.
    Dir werfe ich mich in den Weg.
    Wenn ich doch morgen sterben muß,
    warum nicht heut, ein und für allemal?«
     
    Die Gewalt dieser, von ethischem Rigorismus erfüllten Assoziationen erschütterte mich bis ins Innerste. Nie hatte ein Lied mir so viel bedeutet. Als ich sie diese Verse singen hörte, die sonst einen Anflug von billiger Sentimentalität für mich hatten, glaubte ich, das Ethos des Kriegers zu verstehen. Don Juan hatte mir eingetrichtert, daß der Krieger mit dem Tod zur Seite lebe. Und Aß er aus dem Wissen um den Tod, der ihn begleitet, den Mut bezieht, es mit allem aufzunehmen. Das Sterben sei nun einmal das Schlimmste, was uns widerfahren könne, hatte Don Juan gesagt. Es sei aber unser unabänderliches Schicksal, und darum seien wir frei; wer alles verloren hat, braucht nichts mehr zu fürchten. Ich trat zu Don Juan und Genaro und umarmte sie, um ihnen meine grenzenlose Dankbarkeit und Bewunderung auszudrücken. Dann erst bemerkte ich, daß mich nichts mehr festhielt. Wortlos nahm mich Don Juan beim Arm und führte mich zu dem flachen Stein, wo ich mich hinsetzte.
    »Die Vorstellung fängt eben erst an«, sagte Genaro in jovialem Ton, während er sich bequem niederließ. »Ich hab schon den Eintritt für dich bezahlt. Das Billett, scheint mir, klebt dir an der Brust.«
    Er sah mich an, und die beiden fingen an zu lachen. »Setz dich nicht zu nah neben mich«, sagte Genaro. »Mit Kotze hab ich nichts im Sinn. Aber auch nicht zu weit. Die alten Seher sind noch nicht fertig mit ihren Tricks.«
    Ich rückte so nah zu ihnen hin, wie die Schicklichkeit es erlaubte. Einen Augenblick war mir mein Zustand peinlich bewußt, aber dann wurden alle meine Bedenken gegenstandslos, denn ich bemerkte Leute, die sich uns näherten. Ich konnte ihre Gestalten nicht deutlich erkennen, aber ich konnte ein Gedränge menschlicher Figuren ausmachen, die sich im Halbdunkel bewegten. Sie hatten keine Laternen oder Taschenlampen bei sich, die sie um diese Stunde doch gebraucht hätten. Dieses Detail beunruhigte mich irgendwie. Ich wollte mich nicht länger damit beschäftigen und bemühte mich, rational zu denken. Vielleicht hatten wir, so überlegte ich, mit unserem lauten Gesang ihre Aufmerksamkeit erregt, und sie kamen nun, um nachzusehen. Don Juan legte mir die Hand auf die Schulter. Mit einer Kopfbewegung wies er nach den Männern, die vor der Gruppe der anderen hergingen. »Diese vier sind die alten Seher«, sagte er. »Die anderen sind ihre Verbündeten.«
    Noch bevor ich äußern konnte, daß es wohl nur Bauern aus der Umgebung wären, hörte ich ein Rascheln hinter mir. In höchster Beunruhigung fuhr ich herum. Meine Bewegung geschah so plötzlich, daß Don Juans Warnruf zu spät kam.
    »Dreh dich nicht um!« hörte ich ihn schreien. Seine Worte waren nur Hintergrundsgeräusch. Sie sagten mir nichts. Als ich mich umdrehte, sah ich, daß drei grotesk mißgestaltete Männer den Felsen hinter mir erklettert hatten. Sie krochen zu mir her, die Münder in alptraumhafter Grimasse verzogen, die Arme ausgestreckt, um mich zu greifen. Ich wollte schon aus vollen Lungen losschreien, aber heraus kam nur ein gequältes Krächzen, als ob irgend etwas meine Luftröhre abdrückte. Ganz automatisch rollte ich mich beiseite und fiel auf die Erde hinab.
    Als ich mich aufrichtete, sprang Don Juan zu mir herab, und im gleichen Augenblick stürzte sich die Schar der Männer, angeführt von den jener Vier, die Don Juan mir gezeigt hatte, wie Geier auf mich herab. Sie piepsten wie Ratten oder Fledermäuse. Ich kreischte vor Entsetzen. Dieses Mal gelang es mir, einen durchdringenden Schrei auszustoßen.
    Don Juan, gewandt wie ein durchtrainierter Athlet, entriß mich ihrem Griff und zog mich auf den Felsen hinauf. Mit ernster Stimme befahl er mir, mich nicht umzusehen, ganz egal, wie erschrocken ich sei. Er sagte, die Verbündeten könnten mich gar nicht berühren, wohl

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