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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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meines Wohltäters, der nichts von Erklärungen hielt. Für ihn gab es nur die Tat. Er stellte uns einfach vor unglaubliche Probleme und überließ es uns selbst, sie zu lösen. Einige fanden niemals eine Lösung, und wir landeten ungefähr im gleichen Boot wie die alten Seher: nur Taten, und kein wirkliches Wissen.« »Sind diese Erinnerungen irgendwo in meinem Geist eingeschlossen?« fragte ich.
    »Nein. So einfach ist die Sache nicht«, antwortete er. »Die Taten der Seher sind etwas Komplizierteres als die bloße Aufteilung des Menschen in Körper und Geist. Du hast vergessen, was du getan oder erlebt hast, denn als du ausführtest, was du nun vergessen hast, hast du gesehen.«
    Ich bat Don Juan, mir noch einmal zu verdeutlichen, was er eben gesagt hatte.
    Geduldig erklärte er mir, daß sich alles, was ich vergessen hätte, in solchen Zuständen abgespielt habe, in denen mein alltägliches Bewußtsein erweitert und intensiviert war - ein Zustand, der bedeutete, daß dabei andere Regionen meines Gesamt-Selbst genutzt wurden.
    »Was du vergessen hast, ist in diesen Regionen deines Gesamt-Selbst eingeschlossen«, sagte er. »Diese anderen Regionen nutzen - das heißt sehen.«
    »Ich bin verwirrter denn je, Don Juan«, sagte ich. »Ich kann dir keinen Vorwurf machen«, sagte er. »Sehen heißt, den Kern aller Dinge freilegen, es heißt, das Unbekannte erleben und einen flüchtigen Blick in das Unerkennbare tun. Insofern bringt es uns keinen Trost. Die Seher überstehen es meistens nicht, wenn sie herausfinden, daß unsere Existenz unvorstellbar komplex ist und daß unser Normal-Bewußtsein, mit seinen Beschränkungen, diesen Zustand noch verschlimmert.« Er wiederholte mir noch einmal, daß ich eine absolute Konzentration erreichen müsse, daß es dabei entscheidend auf das Verstehen ankomme, und daß die neuen Seher den höchsten Wert auf klare, gefühlsfreie Einsichten gelegt hätten. »Damals, als du die Sache mit la Gorda und mit deinem Eigendünkel zu verstehen glaubtest, hast du in Wirklichkeit gar nichts verstanden. Du hattest einen Gefühlsausbruch, das war alles. Das behaupte ich, weil du schon am nächsten Tag wieder auf dem hohen Roß deines Eigendünkels gesessen bist, als hättest du nie etwas eingesehen.
    Genauso ging es den alten Sehern. Sie neigten zu Gefühlsreaktionen. Als es aber darum ging, zu verstehen, was sie gesehen hatten, da konnten sie es nicht. Um zu verstehen, braucht man nüchternen Ernst, keine Gefühle. Hüte dich vor denen, die über ihre Einsichten Tränen vergießen, denn sie haben nichts erkannt. Der Pfad des Wissens enthält ungeahnte Gefahren für jene, die ihn nicht in Nüchternheit und mit Verständnis beschreiten«, fuhr er fort. »Ich versuche dir das System zu skizzieren, zu dem die alten Seher die Wahrheiten über das Bewußtsein anordneten. Es soll dir als Landkarte dienen - als eine Landkarte, die du durch dein Sehen überprüfen mußt, nicht aber mit deinen Augen.« Nun entstand eine lange Pause. Er starrte mich an. Offensichtlich erwartete er eine Frage von mir.
    »Jeder fällt auf den Irrtum herein, daß das Sehen mit den Augen geschähe«, fuhr er fort. »Aber wundere dich nicht, wenn du nach all den Jahren noch nicht erkannt hast, daß Sehen keine Sache der Augen ist. Es ist ganz normal, auf diesen Irrtum hereinzufallen.«
    »Aber was ist Sehen?« fragte ich.
    Sehen, erwiderte er, sei eine Ausrichtung. Ich erinnerte ihn daran, daß er vorhin gesagt hatte, die Wahrnehmung sei eine Ausrichtung. Dazu erläuterte er, daß die Ausrichtung der üblicherweise benutzten Emanationen wohl die Wahrnehmung der alltäglichen Welt sei; das Sehen aber sei die Ausrichtung der niemals genutzten Emanationen. Wenn solch eine Ausrichtung stattfindet, dann sieht man. Solches Sehen, entstanden durch die Ausrichtung des nicht Üblichen, betrifft also niemals etwas, das man lediglich anschauen könnte. Trotz der Tatsache, daß ich unzählige Male gesehen hatte, so sagte er, sei es mir nie eingefallen, meine Augen aus dem Spiel zu lassen. Ich hätte einfach den üblichen Sprachgebrauch übernommen, wie Sehen nun einmal bezeichnet und beschrieben werde.
    »Wenn Seher sehen, dann ist dabei etwas beteiligt, das alles erklärt, während die Neu-Ausrichtung stattfindet«, fuhr er fort. »Es ist eine Stimme, die ihnen zuflüstert, worum es geht. Wenn diese Stimme nicht da ist, dann ist das, was der Seher tut, kein Sehen.«
    Nach kurzer Pause fuhr er fort und erläuterte mir die Stimme des Sehens.

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