Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
den Orchideengarten des Palastturms von Alvemer. Aus dem Dunkel in den Garten zu treten, war wie der Schritt in eine andere Welt. Licht und Farben feierten den Morgen. Das Dach aus Kristall war beinahe unversehrt. Dutzende kleiner Brunnen murmelten eine leise Melodie. Tausende Blüten wetteiferten darum, sich mit den strahlendsten Farben und schmeichelndsten Wohlgerüchen zu schmücken. Die Plünderer, die über den Kadaver der Stadt hergefallen waren, suchten nur Gold und Geschmeide. Diesen Ort hatten sie nicht geschändet.
Ich habe die Besatzung meines Schiffes ausgeschickt, um Verwundete zu suchen, denen noch zu helfen ist. Sie sollen sie hierherbringen. Hier wird nicht allein ihr Leib, sondern auch ihre Seele genesen. Hier zu sein, heißt zu wissen, dass die Menschenkinder mit all ihrem Zorn und ihren Kanonen der Welt doch nicht ihre Schönheit zu entreißen vermögen.
Es geht die Kunde, Emerelle sei tot. So oft habe ich mir gewünscht, dass die Mörderin unserer Mutter ein grausames
Schicksal ereilen möge. Und nun hoffe ausgerechnet ich, dass diese Nachricht nur ein haltloses Gerücht ist. Die Albenkinder, die überlebt haben, gehen gebeugten Hauptes. Sie fürchten die Menschen. Wagen es nicht, ihren Blicken zu begegnen…
Ich wünschte, Emerelle wäre hier, die Gebeugten wieder aufzurichten. Ich vermag zerschlagene Glieder zu heilen, doch den Verzweifelten neue Hoffnung zu geben, das vermag ich nicht. Still verfluche ich die Ritter von der blutroten Eiche. Voller Heimtücke haben sie sich nach Vahan Calyd geschlichen. Möge der Fluch der bösen Tat auf sie zurückfallen. So wie Vahan Calyd in der Stunde seines schönstes Festes fiel, soll das Strafgericht auch sie überraschend und in der Stunde ihres Triumphs ereilen. Ich hoffe auf Emerelle. Welch ein seltsamer, unvertrauter Gedanke … Sie darf nicht tot sein. Sie muss die Schönheit Albenmarks retten! …«
BRIEF MORWENNAS AN TIRANU,
DEN FÜRSTEN VON LANGOLLION
VERWAHRT IN DER BIBLIOTHEK DES ROSENTURMS
VON SCHWIELEN UND SCHWIMMERN
Luc musste sich zwingen, den Blick gesenkt zu halten. Zu gern würde er sehen, wie die Elfenzauberin starb, die seine Mannschaft gemordet hatte. Aber er durfte sich nicht verraten.
Ein wenig taumelnd kam er auf die Beine. Müden Schrittes schlurfte er über das Deck des fremden Schiffs. Seine Rechte ruhte auf dem blutigen Verband an seinem Arm. Er zuckte leicht zusammen, denn die Wunde brannte.
Dann griff er nach seinen Kräften.
Kälte durchdrang sein Innerstes. Er dachte an den Sturz zum Meeresgrund. Das Geräusch splitternder Planken und die Schreie seiner Männer. All jener, die auf ihn gesetzt hatten. Die Opfer dieser Elfe. Luc zitterte vor Wut. Jetzt würde er es ihr mit gleicher Münze heimzahlen!
Jemand rief etwas mit sich überschlagender Stimme. Luc verstand die Worte nicht. Er blickte auf. Neben der Elfenzauberin stand ein kleiner Fuchsmann mit weißem Fell. Es war der Kerl, dem Honoré vertraut hatte. Er hatte das magische Tor nach Albenmark geöffnet. Wie kam dieser Verräter an die Seite der Elfe?
Luc versuchte verzweifelt, sich auf die Gabe Gottes zu konzentrieren. Er musste seinen Zorn beherrschen. Nur so konnte er siegen. Die Macht, die Tjured ihm gewährte, würde alle Elfen an Bord binnen eines Herzschlags töten.
Die Zauberin sah ihn an. Sie war ganz ruhig. Sie hatte keine Angst vor ihm.
Herausfordernd begegnete er ihrem Blick und drückte seine Rechte fest auf den Verband. Sein Geist musste frei sein. Er musste sich Gott öffnen!
Die Wunde schmerzte. Warmes Blut sickerte durch das Leinen und benetzte seine Finger. Luc atmete tief und regelmäßig. Er bemerkte, wie einige der Elfen ihre Schwerter zogen. Sonnenlicht brach sich auf kaltem Stahl.
Luc fühlte sich auf einmal seltsam unbeteiligt. Er war halb in Trance. Tjured war ihm jetzt ganz nah. Alles um ihn herum schien entrückt zu sein. Nichts konnte ihm etwas anhaben.
Ein einzelnes Wort der Zauberin ließ die Elfen innehalten. Sie sprach es nicht laut, und doch war ihre Stimme deutlich zu vernehmen. Sie klang melodisch, auch wenn das Wort unverwechselbar ein Befehl war.
Ihr letzter Befehl, dachte Luc grimmig. Noch ein oder zwei Herzschläge, dann würden sie niedersinken, hingestreckt von göttlicher Macht.
Der junge Ritter spürte, wie Blut seinen Arm hinabrann und auf seine nackten Füße troff. Die Zauberin kam ihm entgegen. Ohne Eile. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Sie näherte sich ihm wie einem Hund, von dem man nicht
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