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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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Im »Kabaret Malstrøm« stand an diesem Abend die Revue Den Sorte Kat auf dem Programm. Die Tänzerinnen trugen schwarze Katzenkostüme mit Schleiern, die sie nach und nach fallen ließen, bis sie nur noch spärlich bekleidet den Beifall des Publikums entgegennahmen, das zum größten Teil aus Seeleuten und leichten Mädchen bestand. Dazwischen saßen ein paar betrunkene Bürger oder Angehörige der Boheme. Ein Höhepunkt der Darbietungen auf der kleinen Bühne war der Solo-Auftritt von Svarta, einer Frau mit pechschwarzen Haaren, die am Schluss die Katzenmaske abnahm und eine leere Augenhöhle entblößte, aus der Blut zu fließen schien.
    »Edogawa Rampo!«, rief ein japanischer Matrose, sprang auf, stürzte zur Bühne und warf der Tänzerin ein paar Geldscheine vor die Füße. Svarta bückte sich und hob die Scheine mit einer müden Handbewegung auf. Sie war deutlich älter als ihre Kolleginnen, sie lächelte nie und wusste, wie man schwieligen, vom Kohlenstaub verfärbten Händen auswich.
    Der Matrose kam lachend an seinen Tisch zurück. Seine Begleiter prosteten ihm zu. Svarta hielt jetzt ein Glasauge in der Hand und setzte es in die leere Höhle. Das gläserne Auge blickte herrisch und kalt in den verrauchten Saal. Das andere fixierte eine Person an einem Tisch direkt vor der Bühne.
    Die Frau hatte einen dunklen, kaum zu bändigenden Lockenkopf und trug einen Anzug mit Nadelstreifen. Die Bluse unter dem Jackett war nachlässig zugeknöpft, die rote Krawatte leuchtete auffällig. Sie blies den Rauch ihrer Zigarette Richtung Bühne, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Dann deutete sie mit einer leichten Kopfbewegung auf den freien Stuhl neben sich.
    Svarta strich sich mit den Händen über die nackten Oberschenkel,als wäre ihr kalt geworden, drehte sich um und verschwand hinter dem Bühnenvorhang.
    Ich muss wahnsinnig sein, dachte die Frau im Nadelstreifenanzug. Ich verliebe mich in ein Glasauge. Oder ist es das Nichts in der leeren Höhle?
    Svarta schlängelte sich wie ein schläfriges Raubtier zwischen Tischen, Stühlen und herumstehenden Gästen hindurch. Hier und da rief ihr jemand etwas hinterher oder versuchte, nach ihr zu fassen. Sie trug ein enges schwarzes Kleid, das bis zum Hals zugeknöpft war.
    Die Frau im Nadelstreifenanzug stand lässig auf, als die Tänzerin sich näherte, und schob den freien Stuhl zurecht.
    »Wenn du willst, dass ich mich zu dir setze«, sagte Svarta, »musst du eine Flasche Champagner kaufen.«
    »Ist gut.« Die Frau holte einige zerknitterte Scheine aus der Jackentasche und warf sie auf den Tisch.
    Svarta winkte einem Kellner.
    »Rauchst du?« Die Frau mit den dunklen Locken schob eine Blechdose über den Tisch, auf der ein rotes M in einem Kreis zu sehen war.
    Svarta schüttelte den Kopf. »Nicht mehr.«
    »Ich heiße Klara.«
    Svarta drehte sich zum Kellner, der an den Tisch trat: »Eine Flasche.«
    »Svarta ist ein Künstlername«, sagte sie an Klara gewandt. Es klang fast wie eine Entschuldigung.
    »Setzen wir uns doch.«
    Glattes, pechschwarz gefärbtes Haar, und sonst ist sie blass wie ein kalter Kieselstein aus dem Bach. Und ein ganzes Stück älter als ich. Die nackten Arme wie Wachs, man kann die blauen Adern erkennen, da, wo der Samthandschuh aufhört. Die Farbe des Lippenstifts passt zu meiner Krawatte. Und zur Farbe des Auges, zur Farbe beider Augen. Grün. Das Blut unter dem Glasauge war weggewischt.
    »Du kommst also aus Deutschland«, stellte Svarta fest.
    »Über Umwege.«
    »Und was hat dich nach Kopenhagen verschlagen?«
    Klara blies eine Rauchwolke über den Tisch und schaute Svarta direkt an. »Eine andere Katze.«
    Svarta lächelte. »Wollte sie nicht mehr schnurren?«
    »Nein, es war anders«, sagte Klara zögernd. »Wir passten nicht sehr gut zusammen … auch wegen der Politik …«
    »Das ist doch kein Grund.«
    »Sie ist Polizistin.«
    Svartas Lächeln wirkte ironisch und wehmütig zugleich. »Und du, was bist du?«
    »So ungefähr das Gegenteil davon.«
    Svarta hob die Schultern. »Na gut. Und wo ist die Polizistin jetzt?«
    »Weit weg. In London.«
    … du warst das Alles für mich, Liebes, wonach meine Seele sich sehnte, ein grünes Eiland auf dem Meer … eine Quelle und ein Heiligtum, umrankt von zauberhaften Früchten und Blumen, und all die Blumen waren mein …
    Der Kellner trat an den Tisch, stellte einen Eiskübel und zwei Gläser ab, entkorkte die Flasche, nahm die Geldscheine vom Tisch und ging.
    »Natürlich muss ich

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