Das Flüstern der Stille
schön, jemanden zu haben, mit dem man reden kann und der nicht in die ganze Sache verwickelt war. Sie bestätigt mir, dass ich nicht verrückt bin. Sie sagt, dass ich sehr mutig und stark war, das zu tun, was ich an dem Tag getan habe. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber mir gefällt die Vorstellung, dass sie recht hat.
Ich habe mich sogar auch weiterhin mit Mr. Wilson getroffen, die ganze Grundschulzeit über. Erst vor einem Jahr habe ich erfahren, dass Mr. Wilson von der Polizei verhört worden war, während Petra und ich vermisst wurden. Ich wette, dass ihm das sehr peinlich war, aber er hat es mir gegenüber nie erwähnt. Ich habe mich immer einmal die Woche mit ihm getroffen und weiter in den schönen Notizbüchern geschrieben, die er mir gegeben hatte. Bei unserem letzten Termin während meiner letzten Schulwoche in der Grundschule saßen wir an dem runden Tisch, und er fragte mich, über was ich an dem Tag gern sprechen würde. Ich habe die Schultern gezuckt, und er ist aufgestanden. Er war immer noch unglaublich groß, auch wenn ich seit der ersten Klasse einige Zentimeter gewachsen war. Er kramte in seinem alten, grauen Aktenschrank herum und holte fünf Notizbücher hervor, alle mit schwarzen Einbänden und von mir verziert. Da erzählte ich ihm von dem Traum, den ich hatte, als ich damals im Wald eingeschlafen war. Der Traum, in dem ich durch die Luft flog und jeder nach mir fasste, versuchte, mich auf die Erde zu ziehen. Ich erzählte ihm, dass er in diesem Traum eines der Bücher hochgehalten und auf etwas gezeigt habe. Er zog das erste Notizbuch, in dem ich je geschrieben hatte, aus dem Stapel und reichte es mir.
„Lass uns mal gucken, ob wir herausfinden können, was es war“, sagte er. Die nächste halbe Stunde blätterte ich durch das Buch, das Callis Sprechtagebuch hieß und mit gezeichneten Libellen verziert war. Ich blätterte durch die Seiten, lachte über meine fürchterliche Rechtschreibung und meine staksigen Zeichnungen von Menschen. Aber dann fand ich ihn, den Eintrag, von dem ich mir sicher war, dass Mr. Wilson in meinem Traum darauf gedeutet hatte. Auf der Seite gab es keine Wörter, nur ein Bild, das ich von meiner Familie gemalt hatte. Meine Mom war groß gezeichnet direkt in der Mitte der Seite. Sie trug ein Kleid und hochhackige Schuhe, was irgendwie lustig war, weil meine Mom niemals Kleider oder hochhackige Schuhe trug. Ihre Haare waren toupiert, und sie lächelte. Mein Bruder stand direkt neben ihr, genauso groß gemalt. Seine Haare hatten die Farbe von Feuerwehrautos, und seine Sommersprossen waren rote Punkte auf seiner kreisrunden Nase. Er hielt einen Football in der Hand. Auf den ersten Blick konnte man denken, Ben wäre mein Vater, aber das war er nicht. Mein Vater war in dem Bild etwas kleiner und ein Stück weiter weg von uns gemalt. Er lächelte, wie jeder in meinem Bild, aber in seiner Hand hielt er unverkennbar eine Dose Bier. Der Markenname war in schicker blauer Farbe geschrieben, genau wie auf den echten Dosen. Aber es war nicht die Zeichnung dieser drei, die an dem Tag in Mr. Wilsons Büro meine Aufmerksamkeit erregte. Es war auch nicht die Zeichnung von mir, in einem rosafarbenen Kleid und mit einem Pferdeschwanz. Nein, es war, was ich auf den Tisch neben mir gemalt hatte. Eine wunderschöne blaue Parfümflasche, deren Stopfen daneben auf der Tischplatte lag. Und aus der Flasche stiegen diese kleinen Noten hervor. Ganze Noten, Viertelnoten und halbe Noten flogen direkt in die Luft und um meinen Kopf herum.
„Das ist das Bild“, sagte ich Mr. Wilson und zeigte mit dem Finger darauf. „Das Bild haben Sie mir in meinem Traum gezeigt. Meine Stimme.“
„Natürlich war es das, Calli“, sagte er. „Natürlich. Du hattest sie die ganze Zeit bei dir.“
– ENDE –
DANKSAGUNG
Ich bin meiner Familie zutiefst dankbar: Milton und Patricia Schmida, Greg Schmida und Kimbra Valenti, Jane und Kip Augspurger, Mild und Jackie Schmida, Molly und Steve Lugar und Patrick Schmida. Ihr unerschütterliches Vertrauen in mich und ihre stetigen Ermutigungen bedeuteten mir alles. Ebenfalls Dank an Lloyd, Lois, Cheryl, Mark, Carie, Steve, Tami, Dan und Robin.
Ein herzlicher Dank geht an Marianne Merola, meine Weltklasse-Agentin, die die Möglichkeiten von „The Weight of Silence“ erkannt hat. Ihr Sachverstand, ihre Anleitung, Sorgfalt und Zeit sind wertvoller, als ich es in Worte zu fassen vermag.
Dank auch an meine talentierte und geduldige Redakteurin Miranda
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