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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Milliarden Milliarden Milliarden Milliarden Minuten, das sind einhundertdreiundzwanzig Millionen Milliarden Milliarden Milliarden Stunden, also etwas mehr als fünf Millionen Milliarden Milliarden Milliarden Tage, also vierzehntausend Milliarden Milliarden Milliarden Jahre, gleich einhundertvierzig Milliarden Milliarden Milliarden Jahrhunderte oder vierzehn Milliarden Milliarden Milliarden Jahrtausende. Und wenn du einen Computer hättest, der eine Million Kombinationen pro Sekunde probieren könnte — ha, denk bloß mal, wieviel Zeit du damit gewinnen würdest: dein elektronischer Rechner wäre in vierzehntausend Milliarden Milliarden Jahrtausenden fertig! Aber in Wirklichkeit ist der wahre Name Gottes, der geheime, so lang wie die ganze Torah, und keine Maschine der Welt ist imstande, seine Permutationen je auszuschöpfen, denn die Torah ist schon an sich das Resultat einer Permutation mit Wiederholungen der siebenundzwanzig Buchstaben, und die Kunst der Temurah sagt dir nicht, daß du bloß die siebenundzwanzig Buchstaben des Alphabets permutieren mußt, sondern sämtliche Zeichen der Torah, in der jedes Zeichen so viel gilt, als wär’s an selbständiger Buchstabe, auch wenn es unzahlige Male auf anderen Seiten erscheint, mit anderen Worten: die beiden He im Namen JHWH gelten soviel wie zwei verschiedene Buchstaben. Und somit würden dir, wenn du die möglichen Permutationen aller Zeichen der ganzen Torah berechnen wolltest, alle Nullen der Welt nicht genügen. Probier’s nur, probier’s mit deinem kläglichen Buchhalterrechenmaschinchen. Die Große Maschine existiert, gewiß, aber sie ist nicht in deinem Sili-kontal produziert worden, sie ist die heilige Kabbala oder Tradition, und die Rabbiner tun seit Jahrhunderten, was kei-47
    ne Maschine je tun können wird und hoffentlich niemals tut.
    Denn selbst wenn die Kombinatorik ganz ausgeschöpft wäre, müßte das Ergebnis geheim bleiben, und in jedem Fall hätte das Universum dann seinen Zyklus beendet — und wir würden bewußtlos zerstrahlen im Glanze des großen Meta-tron.«
    »Amen«, sagte Jacopo Belbo.
    Zu solch schwindelnden Höhen trieb ihn Diotallevi schon damals, und ich hätte es einkalkulieren müssen. Wie oft hatte ich Belbo abends nach Dienstschluß über Programmen brüten sehen, die ihm erlauben sollten, Diotallevis Berechnungen zu verifizieren, um zu beweisen, daß wenigstens sein Abulafia ihm die Wahrheit in ein paar Sekunden sagte, ohne langes Geschreibe per Hand auf vergilbtem Pergament, mit vorsintflutlichen Zahlensystemen, die womöglich noch nicht mal die Null kannten. Vergebens, auch Abu antwortete, soweit er antworten konnte, stets nur mit exponentiellen Zahlen, und Belbo gelang es nicht, Diotallevi mit einem Bildschirm zu demütigen, der sich mit Nullen ad infinitum füll-te, als blasse sichtbare Imitation des Wucherns der kombina-torischen Universen und der Explosion aller möglichen Welten...
    Nun aber, nach allem, was inzwischen geschehen war, und mit der Rosenkreuzer-Allegorie vor Augen, nun war Belbo bei seiner Suche nach einem Paßwort bestimmt wieder auf jene Exerzitien mit dem Namen Gottes verfallen. Aber er hätte mit Zahlen wie sechsunddreißig oder hundertzwanzig spielen müssen, wenn es denn stimmte, wie ich annahm, daß er von diesen Zahlen besessen war. Also konnte er nicht die vier hebräischen Lettern kombiniert haben, da ja, wie er wußte, vier Steine nur vierundzwanzig Häuser erbauen.
    Er hätte allerdings mit der italienischen Transkription IAHVEH spielen können, die auch zwei Vokale enthält. Mit sechs Buchstaben standen ihm siebenhundertzwanzig Permutationen zur Verfügung. Er hätte die sechsunddreißigste oder die hundertzwanzigste nehmen können.
    Ich war gegen elf in die Wohnung gekommen, jetzt war es eins. Ich mußte ein Computerprogramm für Anagramme mit sechs Buchstaben schreiben, wozu es genügte, das bereits 48
    vorhandene Programm für vier zu erweitern.
    Erst mal brauchte ich ein bißchen frische Luft. Ich ging auf die Straße hinunter, kaufte mir etwas zu essen und eine Flasche Whisky.
    Kaum wieder oben, ließ ich die Sandwiches in einer Ecke, um gleich zum Whisky überzugehen, schob die Systemdis-kette für Basic ein und schrieb das Programm für sechs Buchstaben — mit den üblichen Fehlern, ich brauchte gut eine halbe Stunde, doch gegen halb drei lief es endlich, und über den Bildschirm flimmerten vor meinen Augen die siebenhundertzwanzig Namen Gottes.
    Ich zog die Bögen aus dem Drucker,

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