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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auch die Männer, nach dem, was sie schrieben, nicht besser waren), und mir bleibt der Verdacht, dass er's nie richtig getrieben hat.
    Es muss wohl an einem Zusammenhang zwischen Machtdurst und impotentia coeundi liegen. Marx war mir sympathisch, weil ich sicher war, dass er's mit seiner Jenny fröhlich getrieben hat. Man spürt es am ruhigen Atem seiner Prosa und an seinem Humor. Aber einmal, in den Fluren der Universität, sagte ich, wenn man immer mit der Krupskaja ins Bett geht, schreibt man am Ende ein so scheußliches Buch wie Materialismus und Empiriokritizismus. Sie schlugen mich fast zusammen und beschimpften mich als Faschisten. Am lautesten schrie ein großer Typ mit Tatarenschnauzer. Ich erinnere mich noch genau an ihn, heute ist er glattrasiert und gehört zu einer Kommune, in der sie Körbe flechten.
    Ich evoziere das Klima von damals hier nur, um zu rekonstruieren, in welcher Geistesverfassung ich zu Garamond kam und mit Jacopo Belbo sympathisierte. Es war die Stimmung dessen, der sich die großen Diskurse über die Wahrheit vornimmt, um an ihnen zu lernen, wie man Fahnen korrigiert. Ich dachte, das Grundproblem bei einem Zitat wie »Ich bin, der ich bin« sei zu entscheiden, wohin der Schlusspunkt gehört, ob vor das Abführungszeichen oder danach.
    Deshalb war meine politische Wahl die Philologie. Die Universität Mailand war in jenen Jahren beispielhaft. Während man im ganzen übrigen Land die Hörsäle stürmte, die Professoren attackierte und von ihnen verlangte, nur noch über proletarische Wissenschaft zu sprechen, galt bei uns, von ein paar Zwischenfällen abgesehen, eine Art konstitutioneller Pakt oder territorialer Kompromiss. Die Revolution beherrschte die äußere Zone, das Auditorium Maximum und die großen Flure im Erdgeschoß, während die offizielle Kultur sich auf die inneren Gänge und die oberen Stockwerke zurückgezogen hatte, um dort, geschützt und garantiert, weiterzumachen, als ob nichts geschehen wäre.
    So konnte ich die Vormittage unten mit Diskussionen über proletarische Wissenschaft und die Nachmittage oben mit dem Erwerb eines aristokratischen Wissens verbringen. Ich lebte zufrieden in diesen beiden Paralleluniversen und fühlte mich keineswegs gespalten. Auch ich glaubte damals, dass eine Gesellschaft der Gleichen vor der Tür stehe, aber ich sagte mir, dass in dieser neuen Gesellschaft bestimmte Dinge gut (und besser als vorher) funktionieren müssten, zum Beispiel die Züge, und die Sansculotten, die mich umgaben, lernten durchaus nicht, die Kohlen im Kessel zu dosieren, die Weichen zu stellen oder Fahrpläne auszutüfteln. Irgendwer musste sich schließlich auch für die Züge bereithalten.
    Nicht ohne ein paar Gewissensbisse fühlte ich mich wie ein Stalin, der unter seinem Schnauzbart grinst und denkt: »Macht nur, macht nur, ihr armseligen Bolschewiken, ich studiere derweilen am Seminar in Tiflis, und dann stelle ich den Fünfjahresplan auf.«
    Vielleicht gerade weil ich vormittags im Enthusiasmus lebte, identifizierte ich dann am Nachmittag das Wissen mit Skepsis. Ich wollte etwas studieren, was mir erlauben würde, nur das zu sagen, was sich anhand von Dokumenten belegen ließ, um es von dem zu unterscheiden, was Sache des Glaubens blieb.
    Fast zufällig geriet ich in ein Seminar über mittelalterliche Geschichte, schrieb mich ein und wählte eine Dissertation über den Templerprozess. Die Geschichte der Tempelritter hatte mich fasziniert, seit ich einen Blick in die ersten Dokumente geworfen hatte. In jenen Jahren, als wir gegen die Staatsmacht kämpften, empörte mich die Geschichte jenes Prozesses (den als Indizienprozess zu bezeichnen eine Verharmlosung ist), in dem die Templer zum Scheiterhaufen verurteilt wurden. Aber bald entdeckte ich, dass von dem Moment an, da sie verbrannt worden waren, eine Schar von Mysterienjägern anfing, überall nach ihnen zu suchen und zu behaupten, sie existierten noch weiter, ohne je einen Beweis vorzulegen. Dieser visionäre Exzess beleidigte meine Ungläubigkeit, und so beschloss ich, keine Zeit mit diesen Mysterienjägern zu verlieren, sondern mich allein an die zeitgenössischen Quellen zu halten. Die Templer waren ein monastischer Ritterorden, der existierte, solange er von der Kirche anerkannt wurde. Wenn die Kirche den Orden aufgelöst hatte, und das hatte sie vor siebenhundert Jahren getan, dann konnten die Templer nicht mehr existieren, und wenn sie noch existierten, dann waren sie keine Templer. So kam es, dass ich

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