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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Horizonten mit den kläglichen Gesten und den traurigen Blicken der Ampeln im Regen ... - Blaise Cendrars)
    Schau hoch, Belbo. Erste Liebe, Maria Santissima. Mama, wie sie mich singend im Schoße wiegt, als ich schon längst kein Wiegenlied mehr brauchte, aber ich wollte, dass sie sang, denn ich liebte ihre Stimme und den Lavendelgeruch ihrer Brust: »O Königin des Empyreums, reinste und schönste — gegrüßet seist du, Tochter, Braut, Magd — gegrüßet seist du, Erlösermutter.«
    Natürlich, die erste Frau in meinem Leben war nicht meine — wie übrigens per definitionem auch keines anderen Frau. Hab mich sofort in die einzige Frau verliebt, die alles ohne mich schafft.
    Dann Marilena (Marylena? Mary Lena?). Lyrisch die Dämmerung zu beschreiben, das goldene Haar, die große hellblaue Schleife, ich aufrecht, die Nase hochgereckt vor der Bank, sie balancierend auf der Rückenlehne, die Arme ausgebreitet, um ihre Schwankungen auszugleichen (graziöse Extrasystolen), der Rock flatternd um ihre rosa Schenkel. Hoch oben, unerreichbar.
    Skizze: am selben Abend die Mama, wie sie den rosa Popo meiner Schwester pudert und ich sie frage, wann der Kleinen das Pimmelchen wächst, und die Mama enthüllt mir, dass die kleinen Mädchen keins kriegen, sondern so bleiben. Auf einmal sehe ich Mary Lena wieder, und das Weiß ihrer Höschen, das hervor blitzt unter dem flatternden blauen Rock, und ich begreife, dass sie blond und erhaben ist, unerreichbar, da anders. Keine Beziehung möglich, sie gehört zu einer anderen Rasse.
    Dritte Frau gleich verloren im Abgrund, in den sie versank. Soeben im Schlaf gestorben, blasse Ophelia zwischen den Blumen ihrer jungfräulichen Bahre, während der Priester das Totengebet rezitiert, da reckt sie sich plötzlich hoch aus dem Sarg, faltig und weiß, den Finger rächend erhoben, die Stimme hohl: »Pater, beten Sie nicht für mich. Heut Nacht vor dem Einschlafen hatte ich einen unreinen Gedanken, den einzigen in meinem Leben, und nun bin ich verdammt.« Das Büchlein der Ersten Kommunion wiederfinden. War da ein Bild, oder habe ich mir alles ausgedacht? Sicherlich war sie gestorben, während sie an mich dachte, der unreine Gedanke war ich, ich, der ich Mary Lena begehrte, die Unberührbare, da von anderer Art und Bestimmung. Ich bin schuld an ihrer Verdammnis, ich bin schuld an der Verdammnis aller, die sich verdammen, geschieht mir ganz recht, dass ich die drei Frauen nicht gehabt habe: Es ist die Strafe dafür, sie begehrt zu haben.
    Die erste verlor ich ans Paradies, die zweite ans Fegefeuer, wo sie den Penis beneidet, den sie nie haben wird, die dritte an die Hölle. Theologisch perfekt. Schon geschrieben.
    Aber da ist noch die Geschichte von Cecilia, und Cecilia war auf der Erde. Ich dachte an sie vor dem Einschlafen, ich stieg den Hügel hinauf, um die Milch beim Bauern zu holen, und während die Partisanen vom gegenüberliegenden Hügel auf die Wachtposten schossen, sah ich mich ihr zu Hilfe eilen, um sie zu retten vor einer Schar schwarzer Schergen, die sie mit hochgehaltenen Maschinenpistolen verfolgten... Blonder als Mary Lena, beunruhigender als das Mädchen im Sarg, reiner und holder als die Jungfrau. Cecilia, lebendig und erreichbar, ein Nichts genügte, und ich hätte sie sogar ansprechen können, ich war mir sicher, dass sie einen von meinem Schlag lieben könnte, liebte sie doch schon einen, der hieß Papi, er hatte blondes struppiges Haar auf einem winzigen Schädel, er war ein Jahr älter als ich und hatte ein Saxophon. Und ich nicht mal eine Trompete. Ich habe sie nie zusammen gesehen, aber alle im Unterricht flüsterten kichernd und ellbogenstoßend, dass sie's miteinander trieben. Bestimmt logen sie, diese Bauernlümmel, geil wie die Böcke. Wollten mir wohl zu verstehen geben, dass sie (sie, Marylena Cecilia, Braut und Magd) derart zugänglich war, dass jemand schon Zugang zu ihr gefunden hatte... Auf jeden Fall — vierter Fall — war ich aus dem Spiel.
    Schreibt man über solch eine Geschichte einen Roman? Vielleicht sollte ich ihn über die Frauen schreiben, vor denen ich fliehe, weil ich sie haben konnte. Oder gekonnt hätte. Sie haben. Oder ist das dieselbe Geschichte?
    Fazit: Wenn man nicht einmal weiß, um welche Geschichte es eigentlich geht, korrigiert man besser die Philosophiebücher.
     

9
    In der rechten Hand trug sie ein gantz güldin Posaun.
    Johann Valentin Andreae, Die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz, Straßburg, Zetzner, 1616, 1
     
    In

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