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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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begann leise zu sprechen.
    Casaubon, sagte ich mir, du bist ja noch dümmer als Belbo. Worauf wartest du? Daß die kommen und sagen, oh, was für ein schöner Zufall, auch der Freund von Jacopo Belbo, kommen Sie, kommen auch Sie...
    Mit einem Ruck stand ich auf, grüßte und ging. Lief eine Minute lang durch die Rue de la Manticore, bog dann in andere Gässchen ein und fand mich am Ufer der Seine wieder. Idiot, sagte ich mir, was hast du denn erwartet? Daß du hinkommst, Agliè vorfindest, ihn am Jackett packst, und er sagt, verzeihen Sie, war alles nur ein Missverständnis, hier haben Sie Ihren Freund wieder, wir haben ihm kein Haar gekrümmt...? Jetzt wissen die, dass du auch hier bist.
    Es war früher Nachmittag, am Abend würde etwas im Conservatoire passieren. Was sollte ich tun? Ich bog in die Rue Saint-Jacques ein und schaute mich alle paar Schritte um. Nach einer Weile schien mir, dass ich von einem Araber verfolgt wurde. Aber wieso dachte ich, es wäre ein Araber? Das charakteristische Merkmal der Araber ist, dass sie nicht wie Araber aussehen — jedenfalls in Paris, in Stockholm wär's vielleicht was anderes.
    Ich kam an einem Hotel vorbei, ging rein und fragte nach einem Zimmer. Als ich mit dem Schlüssel die Treppe hinaufging, sah ich den vermeintlichen Araber unten hereinkommen. Dann bemerkte ich im Flur noch andere Personen, die Araber sein konnten. Natürlich, in dieser Gegend gab es nur Hotels für Araber. Was hatte ich denn erwartet?
    Ich trat in das Zimmer. Es war anständig, es gab sogar ein Telefon, nur schade, dass ich beim besten Willen nicht wusste, wenn ich anrufen sollte.
    Ich legte mich auf das Bett und versuchte ein bisschen zu schlafen. Um drei stand ich auf, wusch mir das Gesicht und machte mich auf den Weg zum Conservatoire. Jetzt blieb mir nichts anderes mehr übrig, als ins Museum zu gehen, mir dort ein Versteck zu suchen und zu warten, dass es Mitternacht wurde.
    So tat ich es. Und so fand ich mich ein paar Stunden vor Mitternacht im Periskop, um auf etwas zu warten.
    Nezach ist für einige Interpreten die Sefirah der Ausdauer, des Ertragens, der beharrlichen Geduld. Und in der Tat erwartete uns eine Prüfung. Doch für andere Interpreten ist Nezach die Überwindung, der Sieg. Wessen Sieg? Vielleicht war in dieser Geschichte von lauter Besiegten — die Diaboliker genarrt von Belbo, Belbo genarrt von den Diabolikern, Diotallevi genarrt von seinen Zellen — im Augenblick ich der einzige Sieger. Ich lag im Periskop auf der Lauer, ich wusste von den andern, und sie wussten nicht von mir. Der erste Teil meines Plans war nach Plan gelaufen.
    Und der zweite? Würde er nach meinem Plan laufen oder nach dem Großen Plan, der nun nicht mehr der meine war?

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    For our Ordinances and Rites: We have two very long and faire Galleries in the Temple of the Rosie Cross; In one of these we place patterns and samples of all manners of the more rare and excellent inventions; In the other we place the Statues of all principal Inventours.
    (Für unsere Zeremonien und Riten: Wir haben zwei sehr lange und schöne Galerien im Tempel des Rosenkreuzes; in die eine tun wir Modelle und Exempel aller Arten der eher seltenen und exzellenten Erfindungen; in die andere stellen wir die Standbilder aller bedeutenden Erfinder.)
    John Heydon, The English Physitians Guide: Or A Holy Guide, London, Ferris, 1662, Vorwort
     
    Ich war seit zu vielen Stunden im Periskop gewesen. Es mochte zehn Uhr sein oder halb elf. Wenn etwas geschehen musste, würde es in der Kirche geschehen, vor dem Pendel. Also musste ich jetzt hinuntergehen, um mir ein Refugium zu suchen, einen Beobachtungsposten. Wenn ich zu spät kam, nachdem sie bereits hereingekommen waren (von wo?), würden sie mich bemerken.
    Hinuntergehen. Mich bewegen... Seit Stunden wünschte ich mir nichts anderes, aber jetzt, wo ich es konnte und es Zeit wurde, fühlte ich mich wie gelähmt Ich musste die Säle im Dunkeln durchqueren, ohne die Taschenlampe mehr als unbedingt nötig anzuknipsen. Wenig Nachtlicht drang durch die hohen Fenster, wenn ich mir ein gespenstisch im Mondschein liegendes Museum vorgestellt hatte, hatte ich mich getäuscht. Die Vitrinen empfingen undeutliche Reflexe von den Fenstern. Wenn ich mich nicht vorsichtig bewegte, konnte ich leicht etwas umstoßen, so dass es klirrend oder metallisch scheppernd am Boden zerbrach. Immer wieder knipste ich die Lampe an. Ich kam mir vor wie im Crazy Horse, da und dort enthüllte der Lichtstrahl mir

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