Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
eine alchimistische Figur gewesen.«
    »Die Alchimie ist immer im Spiel«, sagte Diotallevi mit Überzeugung. »Wahrscheinlich kannten die Templer das Geheimnis, wie man Gold macht.«
    »Sicher kannten sie es«, sagte Belbo. »Man stürmt eine sarazenische Stadt, schlachtet Frauen und Kinder ab und rafft alles zusammen, was man kriegen kann... In Wahrheit ist das Ganze eine ziemlich krause Geschichte.«
    »Vielleicht hatten sie auch ein krauses Durcheinander in ihren Köpfen, verstehen Sie? Was kümmerten sie die doktrinären Debatten? Die Geschichte ist voll von Geschichten solcher Eliten, die sich ihren eigenen Stil zurechtbosselten, ein bisschen großmäulig, ein bisschen mystisch, sie wussten selber nicht recht, was sie taten... Natürlich gibt es dann auch die esoterische Deutung: Sie wussten sehr genau, was sie taten, sie wussten alles, sie waren Jünger der orientalischen Mysterien, und sogar der Arschkuss hatte einen initiatischen Hintersinn.«
    »Erklären Sie mir mal ein bisschen, was der Arschkuss für einen initiatischen Hintersinn hatte«, sagte Diotallevi.
    »Gewisse moderne Esoteriker behaupten, die Templer hätten sich auf indische Lehren berufen. Der Kuss auf den Hintern habe dazu gedient, die Schlange Kundalini zu wecken, eine kosmische Kraft, die an der Wurzel des Rückgrats sitze, in den Geschlechtsdrüsen, und die, wenn sie einmal geweckt worden sei, die Zirbeldrüse erreiche... «
    »Die von Descartes?«
    »Ja, ich glaube, und da sollte sie dann in der Stirn ein drittes Auge öffnen, das Auge der direkten Sicht in Zeit und Raum. Deswegen sucht man noch heute nach dem Geheimnis der Templer.«
    »Philipp der Schöne hätte lieber die modernen Esoteriker verbrennen sollen, anstatt diese armen Teufel.«
    »Ja, aber die modernen Esoteriker haben keinen Pfennig.«
    »Da sehen Sie mal, was für Geschichten man noch zu hören bekommt«, schloss Belbo. »Jetzt verstehe ich endlich, warum diese Templer so vielen von meinen Irren im Kopf herumspuken.«
    »Ich glaube, das Ganze ist ein bisschen wie Ihre Geschichte von gestern Abend. Ein krauser, verdrehter Syllogismus. Benimm dich wie ein Dummer, und du wirst undurchschaubar für alle Ewigkeit. Abrakadabra, Mene Tekel Upharsin, Pape Satan Pape Satan Aleppe, le vierge le vivace et le bel aujourd'hui — jedes Mal wenn ein Dichter, ein Prediger, ein Potentat oder Magier irgendein bedeutungsloses Gekrächze von sich gegeben hat, verbringt die Menschheit Jahrhunderte damit, seine Botschaft zu ergründen. Die Templer bleiben unergründlich wegen der Konfusion, die in ihren Köpfen herrschte. Deswegen werden sie von so vielen verehrt.«
    »Eine positivistische Erklärung«, sagte Diotallevi.
    »Ja, vielleicht bin ich ein Positivist«, sagte ich. »Mit einer kleinen chirurgischen Operation an der Zirbeldrüse hätten die Templer leicht Johanniter werden können, also normale Menschen. Der Krieg zerstört die Gehirnkreisläufe, muss der Kanonendonner sein, oder das griechische Feuer. Sehen Sie sich die Generäle an.«
    Es war ein Uhr nachts. Diotallevi schwankte, betrunken vom Tonicwater. Wir verabschiedeten uns. Ich hatte mich gut unterhalten. Und sie auch. Wir wussten noch nicht, dass wir begonnen hatten, mit dem griechischen Feuer zu spielen, das brennt und verzehrt.

15
    Erars de Syverey me dist: »Sire, se vous cuidiés que je ne mi hoir n’eussiens reprouvier, je vous iroie querre secours au conte d’Anjou, que je voi là en mi les chans.« Et je li dis: »Mes sires Erars, il me semble que vous feriés vostre grant honour, se vous nous aliés querre aide pour nos vies sauver; car la vostre est bien en avanture.«
    (Erard de Siverey sprach zu mir: »Sire, so Ihr dafür Sorge traget, dass weder ich noch mein Erbe dadurch Unehre haben, werde ich hingehen, um Euch Hilfe zu holen vom Grafen Anjou, den ich dort inmitten der Felder sehe.« Und ich sprach zu ihm: »Messire Erard, mir scheint, Ihr werdet Euch große Ehre machen, so Ihr hingehet, um Hilfe zu holen für unser Leben, denn das Eure ist gar sehr gefährdet.)
    Joinville, Histoire de Saint Louis, 46, 226
     
    Nach dem Abend der Templer hatte ich mit Belbo nur flüchtige Gespräche in der Bar, in die ich immer seltener ging, da ich an meiner Dissertation arbeitete.
    Eines Tages war eine große Demonstration gegen die neofaschistischen Putschkomplotte angesetzt, die an der Universität beginnen sollte und zu der, wie damals üblich, alle antifaschistischen Intellektuellen aufgerufen waren. Großes

Weitere Kostenlose Bücher