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Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

Titel: Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kluge
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inzwischen erwachsene Mädchen Ingenieurswissenschaften. Die Familie, die sie jetzt gründete, lebte in der Zeit Chruschtschows am Fuße des Uralgebirges. Dort gab es organisierte Wohneinheiten, deren Tür man verschließen konnte, die Grundform von Eigentum. Die Frau zeigte keine Sehnsucht nach ihren ursprünglichen Angehörigen, forschte auch nicht nach ihnen, fuhr der Erzähler fort, die sie doch an jenem Tag in der Nähe der Stadt Charkow so fassungslos entbehrt hatte. Sie sprach nicht einmal davon.
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Was hätte sie auch sagen sollen?
Nicht wahr? Wer hätte ihr zugehört?
Wenn sie erzählte, dann war das von den Kämpfen 1941, vom Marsch bis Berlin, der folgte.
Und innerlich?
Wo soll dieses » INNERLICH « sein? Es war ja die ganze Person, die Porfirias Leben führte.
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    Hätte aber in der Zeit Chruschtschows oder in einer späteren Zeit (diese Vermutung ließ der Berichterstatter zu) jemand versucht, eines von Porfirias Kindern zwangszurekrutieren, wäre sie dem äußerst wirksam entgegengetreten. Ja, erwiderte einer der Zuhörer, das müssen wir annehmen. Die Wirklichkeit heilt jede Wunde. Aber sie löscht keine Eindrücke. Porfiria wäre vorbereitet gewesen. Sie hat sich die ganze Zeit auf einen solchen Fall vorbereitet, ergänzte der Erzähler.
Für die Zukunft ihrer Krabbe tätig
    Schon seit dem Morgen zog eine junge Mutter ihren Sohn, der auf einem Schlitten lag, im Kreis um das Schloßhotel herum. Ihr lag daran, wie sie sagte, daß das Kind an der frischen Luft wäre. Das Söhnchen lag längs auf dem Schlitten, den Kopf zwischen den Vorderkufen, gefährlich nah am Boden, der unter dem Schlitten vorüberzog. Die Mutter hatte den Eindruck, als träume das Kind. Sie schuftete. Die Augen nehmen so nah an der Schneeoberfläche ein Geflirre wahr, Unterschiede des Lichts und der Körnigkeit, unbestimmte Zeichen von Fußeindrücken, rasch vorüber, Oberfläche. Das Unbestimmbare schien im Kopf des Jungen eine Art Reizung auszulösen, dachte sich die Frau, die das Gefährt voranzog. Das Kind, sonst zappelig, war überaus ruhig, konzentriert und atmete. Daß das, was die Augen sehen, keinen Sinn hat, läßt den Atem fließen. Das ist ja der Zweck der Übung, sagte die junge Frau: den Lungenumsatz anregen. In der Stadt wäre das unmöglich. Manfred wäre nämlich nicht »spazierengegangen«; er galt als »gehfaul«. Sie hoffte, auf diese Weise die empfindlichen Lungenbläschen des Kindes »abzuhärten«, gegen die beständige Neigung anzuarbeiten, sich zu erkälten.
    Einmal forderte sie Manfred auf, sich umgekehrt auf dem Schlitten zu plazieren, damit sein Kopf nicht wenige Zentimeter über dem wechselnden Boden hinge und sich die Nase aufschlüge. Vielleicht auch als Abwechslung. Der Junge kam der Aufforderung nach. Die neue Position bewährte sich nicht. Er mußte die Knie anziehen, und der Kopf hing nun nach hinten über die Schlittengrenze hinaus, ohne den Schutz der Kufen. Dafür bist du schon zu groß, sagte die junge Mutter anerkennend. Jetzt hatte sie schon zweieinhalb Stunden lang Kreise geschlagen, in Kilometern gerechnet eine beachtliche Strecke.
In ihrem Kleiderschrank klebte ein Bild
    Sie hing sehr an ihrer Schwester Andrea. Nur ein Jahr Altersunterschied. Sie heiratete einen Erfolgsmenschen bürgerlicher Herkunft. Die Ehe kostete sie ihren Namen und 16 Jahre ihres Lebens. Gerda stammte aus preußischem Adelshause. Vier Generäle, ein Regierungschef unter ihren Vorfahren.
    Später gestand sie sich ein, daß sie ihren Mann geliebt hatte. Sie »verfriemelte« also, wenn sie ihn entbehrte, blühte auf in seiner Gegenwart. Sie brauche ihn »wie die Luft zum Leben«, sagte sie, auch wenn sie ihn innerlich mißbillige. Aber was bedeutet dann innerlich? Gerdas Abhängigkeit änderte sich nicht, als er sie enttäuschte. Sie waren ein merkwürdiges Paar, denn auch er hinterließ ihr Zeichen, daß er sich zu ihr oder wenigstens zu einzelnen Eigenschaften von ihr hingezogen fühlte. In ihren Kleiderschrank hatte sie ein Bild aus Shakespeares Romeo und Julia geklebt. Ein Jüngling erklomm die Balustrade eines Fensters. Unterschrift: »Zur Liebe bin ich geboren.« Das hatte ihr Mann ihr geschenkt. Sie ließ das Bild dort hängen (wo es keiner sah), auch wenn dieser »Gefährte vieler Jahre« von einer Krankheit namens »Sinneswandel« ergriffen war. Er lebte den Rest seiner Jahre mit einer JÜNGEREN ANDEREN .
    Als nun seine Beerdigung organisiert war, die neue Familie (er hatte noch zwei Kinder mit der anderen

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