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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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seidig, von Natur aus anmutig gescheitelt. Nicht die trockene schottische Stahlwolle wie auf dem Kopf seines Vaters. Nur die Farbe ist ein Amalgam aus meiner – schwarz wie verbrannter Toast – und dem Honigblond seiner Mutter.
    »Er wird schon irgendwo in der Nähe sein, Walt«, sagte ich. Der Schnee knirschte wie Styropor unter meinen Stiefeln, als ich auf ihn zuging. »Vermutlich ist er bei einem der Nachbarn.«
    Womit ich alles andere als aufrichtig war, denn ich hatte sowohl die Franklins als auch Irene Kramer angerufen. Herby, unser karamellfarbener Labrador, war definitiv bei keinem von ihnen. Ich war keineswegs so optimistisch, wie ich Walt glauben machen wollte. Obwohl Herby schon früher bei verschiedenen Gelegenheiten davongelaufen war (»Saskatchewan ist so flach«, witzelten die Einheimischen, »wenn einem der Hund wegläuft, kann man ihm tagelang dabei zusehen«) und durchaus die Möglichkeit bestand, dass er sich irgendwo auf dem zwei Hektar großen Grundstück herumtrieb, war er noch nie zu dieser Jahreszeit verschwunden. Der kanadische Winter war noch nicht angebrochen – die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt –, aber die Wettervorhersage ließ für die kommenden Wochen das Schlimmste befürchten. Schon bald erwarteten uns die ersten Minusgrade, und wenn mit Einbruch des richtigen Winters die Blizzards kamen, konnte die Temperatur sogar bis auf fünfzehn oder zwanzig Grad unter null fallen.
    »Das hat Mommy auch gesagt«, sagte Walt. Hinter ihm konnte ich durch die Glastür sehen, wie Sammy in der großen Küche ihre Kaffeetasse ausspülte, penibel wie immer. »Aber was ist, wenn …?«
    Der entscheidende Grund für Sammy, das Haus genau hier zu bauen, war die Aussicht von der Terrasse gewesen: Von der Hügelkuppe aus blickte man hinunter ins Tal und in der Ferne auf den Lake Ire, einen silbrig glitzernden Spiegel mit einem Rahmen aus Pinien. Das Franklin-Anwesen und Irenes Haus befanden sich anderthalb Meilen zur Rechten. Das alte Farmhaus der Bennets, unserer nächsten Nachbarn, lag eine halbe Meile links von uns.
    Doch weit und breit war kein Hund zu erkennen. Wenn ich jetzt zurückdenke, versucht meine Erinnerung, dem Bild etwas hinzuzufügen: schwarze Schatten am Himmel, Krähen, die am Ende unserer Wiese, in der Nähe der Tamora Road, der Hauptroute in die Stadt, über etwas kreisen. Aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich das damals wirklich gesehen habe.
    Ich bugsierte Walt durch die gläserne Schiebetür in der Fensterfront entlang der riesigen Küche zurück ins Warme, wo uns heimeliger Frühstücksduft empfing: Es roch nach Toast, Kaffee und Haferflocken, von denen Sammy gerade eine Schüssel leerte, während sie zu dem kleinen Flachbildfernseher über der Kochinsel in der Mitte des Raumes hinaufblickte. Sie hockte an einer Ecke des Tisches aus unbehandeltem Eichenholz, die Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Sammy war zwar drei Jahre älter als ich, sah aber um einiges jünger aus, was ich gerne meinen elenden schottischen Genen zuschrieb. Mir ist wohl bewusst, dass man vor allem dann sein Erbgut verantwortlich macht – Klischee oder nicht –, wenn man die Schuld eigentlich bei sich selbst sucht. Sammy war keine Schönheit im klassischen Sinne und konnte einem ohne zu zögern ihre vermeintlichen größten Makel aufzählen: Sie hatte vorstehende Zähne, ein Merkmal, das sie rührend zu verbergen versuchte, indem sie die Hand vor den Mund hielt, wenn sie – was sie häufig tat – spontan lachen musste. Da waren leichte Spuren von Akne-Narben und die verästelten Furchen auf ihrer Stirn, wenn sie sich konzentrierte oder ärgerte. Mit gut einsachtzig war sie sogar ein paar Zentimeter größer als ich und empfand sich als schlaksig. Als Teenager hatte sie, um das zu kaschieren, eine leicht gekrümmte, vornübergebeugte Haltung entwickelt, in die sie immer noch gelegentlich verfiel. Früher war sie eine leidenschaftliche Sportlerin gewesen – in der Schule hatte sie Netball und Lacrosse gespielt – und sah auch jetzt noch athletisch-burschikos aus. Beim Tennis im Urlaub, im Klub von Alarbus oder auf dem Platz ihrer Eltern war ich für sie kein ernst zu nehmender Gegner: Elegant ging sie in Position, hielt kurz inne, bevor sie zum Schlag ausholte, und scheuchte mich dann mit ihrem Topspin die Grundlinie entlang, bis ich schließlich erschöpft aufgab.
    An diesem Morgen in der Küche glänzten ihre Lippen vom Honig auf ihren Haferflocken. Das Haar hatte

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