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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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    Linda Fairstein
     
    Die Knochenkammer
     
    Alex Cooper Bd 5
     
     
    Der Nachmittag im Leichenschauhaus war lang gewesen. Ich hatte mein Büro bei der Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan kurz nach der Mittagspause verlassen, um mit dem stellvertretenden Leiter des gerichtsmedizinischen Instituts die Obduktionsresultate in einem neuen Fall zu besprechen. Eine Neunzehnjährige - die Klamotten, die sie trug, hatte sie sich erst wenige Stunden zuvor gekauft - war vor einem Klub getötet worden, wo sie an der Straßenecke auf ihre Freunde gewartet hatte.
    Ich lief, erneut vom Tod umgeben, einen ruhigen Korridor entlang. Ich wollte nicht hier sein. Ich blieb vor dem Eingang eines antiken Grabmals stehen, dessen bemalte Kalksteinfassade die Geheimtür zur unterirdischen Grabkammer verbarg. Auf den verblichenen Wandreliefs waren Nahrungsmittel abgebildet, die die Seele der oder des Verstorbenen nähren sollten. Ich hegte keine Hoffnung, dass die junge Frau, deren Leichnam ich heute gesehen hatte, das hier gezeigte üppige Mahl jemals nötig haben würde.
    Ich passierte einen Granitlöwen und nickte dem uniformierten Aufseher zu, der neben dem elegant gemeißelten Tier, das einst ein Königsgrab beschützt hatte, auf einem Klappstuhl hockte. Beide schliefen tief und fest. Daneben standen Alabasteraffen und hielten leere Gefäße in ihren ausgestreckten Händen, in denen früher zweifelsohne die Körperteile eines mumifizierten Würdenträgers des Alten Reichs aufbewahrt worden waren.
    Den Stimmen nach zu urteilen, die hinter mir durch die Gänge hallten, war ich nicht der letzte Gast des heutigen Festempfangs. Ich beschleunigte meine Schritte, vorbei an Vitrinen mit steinernen Häuptern von Göttinnen, juwelengeschmückten Sandalen und goldenen Halsketten, welche jahrhundertelang mit ihnen begraben gewesen waren. Eine scharfe Linkskurve, und ich stand vor einem riesigen schwarzen Sarkophag einer ägyptischen Königin der dreißigsten Dynastie, der von zwei Eisenpfosten aufgestemmt wurde, sodass man die Abbildung ihrer Seele auf der Innenseite des Deckels sehen konnte. Der Anblick des dunklen, schweren Sargs mit dem schwachen Umriss der schlanken Gestalt, die er einst beherbergt hatte, ließ mich trotz der ungewöhnlich warmen Spätfrühlingsnacht frösteln.
    Dann bog ich ein letztes Mal um eine Ecke, und die Dunkelheit der Grabräume wich dem prächtigen offenen Raum, in dem der Tempel von Dendur untergebracht war. Die Nordseite des Metropolitan Museum of Art bestand aus einer, sich über den Sandsteinmonumenten schräg erhebenden Glaswand, die den Blick auf den Central Park freigab. Es war kurz vor neun Uhr abends, und die Straßenlaternen draußen vor den Fenstern erhellten den Nachthimmel und ließen die grün belaubten Bäume vor dem Museum scharf umrissen hervortreten.
    Ich blieb am Rande des Wassergrabens stehen, der die beiden erhöhten Tempelbauten umgab, und hielt nach meinen Freunden Ausschau. Kellner in seidig glänzenden schwarzen Anzügen schlängelten sich zwischen den Gästen hindurch und servierten Kaviarblinis und geräucherten Lachs auf Schwarzbrot. Andere jonglierten Silbertabletts mit Weißwein-, Champagnerund Mineralwassergläsern durch die versammelte Schar von Freunden und Förderern des Museums.
    Nina Baum sah mich, noch bevor ich sie erspähen konnte. »Du kommst gerade rechtzeitig, um bereits die meisten Ansprachen verpasst zu haben. Raffiniert gemacht.«
    Sie winkte einen Kellner herbei und reichte mir eine Champagnerflöte. »Hungrig?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das Leichenschauhaus?«
    »Kein sehr angenehmer Nachmittag.«
    »War sie -?«
    »Erzähl ich dir später. Chapman glaubte, er hätte eine neue Spur in einem Fall, in dem er nicht mehr weitergekommen war, also wollte ich mir das Verletzungsmuster genauer ansehen. Falls er einen Verdächtigen geschnappt hätte und ich den Kerl heute Nacht hätte verhören müssen, wäre ich vorbereitet gewesen. Aber es entpuppte sich als schlechter Tipp, also gibt’s kein Verhör und keine Festnahme. Die Sache ist fürs Erste auf Eis gelegt.«
    Nina hakte sich bei mir unter und zog mich zu den Stufen. »Warum hast du Mike nicht mitgebracht?«
    »Ich hab’s ja versucht. Aber als ich ihm sagte, dass es ein festlicher Anlass wäre, schickte er mich zum Duschen und Umziehen nach Hause. Er schmeißt sich nicht in Schale, nicht einmal für dich. Ihr werdet euch die nächsten Tage noch sehen.«
    Mike Chapman war Mordermittler, meiner Meinung nach der

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