Das Geheimnis der toten Vögel
gewesen, nach der Scheidung in eine neue und eigene Wohnung zu ziehen. In die Wände des alten gelben Holzhauses waren die gemeinsamen Beschlüsse und Kompromisse eingebaut gewesen. Die Küche, die zu eng war, weil Krister Platz für eine Bar und seine Jukebox wollte. Das Badezimmer, das nie renoviert wurde, weil Krister sich für das geliehene Geld einen Oldtimer gekauft hatte. Und der Fußboden der Veranda, der niemals gelegt wurde, weil das Geld, für das sie Holz hätten kaufen sollen, schon verbraucht war, noch ehe sie die Baufirma angerufen hatten. Auch wenn sowohl das Haus als auch Krister durchaus ihren Charme hatten, gehörten sie jetzt zu einem abgeschlossenen Kapitel. Das bedeutete eine neue Freiheit für Maria, aber manchmal auch Unruhe und die Trauer darüber, es nicht geschafft zu haben zusammenzuleben. Vor allem jetzt, da Krister und sein bester Freund, genannt Mayonnaise, mit Linda auf Campingurlaub gefahren waren und Emil im Fußballcamp war. Es war so leer. Einsam, sinnlos und leer.
Maria war nicht nur froh darüber, die Bekanntschaft von Mayonnaise gemacht zu haben. Eigentlich war er nicht verkehrt, und dass man es nicht lange mit ihm aushielt, lag wohl am ehesten daran, dass er so impulsiv und laut war. Es war kein sonderlich gutes Gefühl, am Freitagabend die Verantwortung für Linda in die Hände dieser beiden Herren zu geben. Aber sie hatte keine Wahl. Krister hatte das Recht, die Kinder jedes zweite Wochenende zu sehen, und wie er es verbrachte, war seine Sache. Das Letzte, was Maria von ihnen gesehen hatte, als sie am Freitagabend fuhren, war, wie Mayonnaise nach einer Coladose griff und sie Linda nach hinten reichte, die zwischen den Sitzen stand.
»Der Sicherheitsgurt!« Maria war hinter ihnen hergerannt und hatte versucht, ihnen mit Gesten zu zeigen, was sie meinte, aber Mayonnaise hatte nur fröhlich zurückgewinkt und die Lautstärke der Stereoanlage höher gedreht, sodass die Musik der Tanzband ihre Stimme ertränkte. Lächelnde goldbraune Augen, in die habe ich mich verliebt … »Der Sicherheitsgurt!«
Etwas später am Abend hatte Krister angerufen, weil Linda ihr Schmusetier Helmer vergessen hatte. Sie seien nicht weiter gekommen als bis zum Campingplatz in Tofta, erzählte er, und da habe es etwas zu viel Bier gegeben, als dass sie hätten weiterfahren können. Wenn Maria so nett sein und das verdammte Stofftier vorbeibringen könne, damit das Kind einschlafen könnte, wäre er dankbar.
Auf dem Weg nach Tofta hatte Maria überlegt, ob es praktisch gesehen eigentlich irgendeinen Unterschied gab, ob sie mit Krister verheiratet oder von ihm geschieden war. Es war genauso anstrengend wie immer, wenn er allein mit den Kindern unterwegs war, und das war einer der Gründe gewesen, warum sie ihn verlassen hatte.
Als Maria an dem Haus hielt, in dem Berit Hoas wohnte, sah sie das Polizeiauto, das vor der Hecke des Nachbarn geparkt war. Sie war nicht im Dienst und wollte an ihrem freien Wochenende eigentlich auch in nichts hineingezogen werden. Besonders als allein erziehende Mutter musste man, um durchzuhalten, gut zwischen Privatleben und Job trennen. Wie oft hatte sie nicht schon an diesem Wochenende die Gedanken an den Toten verdrängt, den sie in Värsände gefunden hatten. Niemand wusste, wie er dorthin gekommen war. Keiner der Nachbarn hatte etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört, und ein erster Durchgang durch das Register der vermiss ten Personen in Schweden hatte kein Ergebnis gebracht. Der Mann war wahrscheinlich in den Fünfzigern. Klein, muskulös und dunkel, mit einer alten Narbe unter dem rechten Rippenbogen. Ohne Identität des Opfers ist es schwer, eine wirkungsvolle Ermittlung zustande zu kriegen. Es gab nur wenige Zeugenaussagen. Und außer dem Mordfall gab es weitere Fälle – Misshandlung, Raubüberfälle und Autoeinbrüche –, die liegen bleiben würden, solange in dem Mordfall ermittelt wurde.
Doch als dann ein Krankenwagen bei Ruben Nilssons Haus vorfuhr und Polizeiinspektor Ek die Verandatür öffnete, um den Notarzt zu begrüßen, siegte die Neugier über die Klugheit, und Maria gab sich zu erkennen und fragte, was denn passiert sei. Jesper Ek machte eine Geste in der Luft, die »einen Moment« bedeutete, und kehrte zurück, nachdem er den Notarzt in das Haus geführt hatte.
»Wir wissen es nicht. Eigentlich gehen wir nicht von einem Verbrechen aus. Heute Morgen hat uns ein Taxifahrer angerufen, Petter Cederroth, der
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