Das Geheimnis der Wunderkinder
klang erschüttert, als er antwortete: »Totalschaden. Insassen tot.«
»Alle? Ich meine, wie viele …?«
»Zwei Tote«, erklärte Brennan und fügte dann notgedrungen hinzu, »und irgendwo muß noch ein kleiner Junge sein.«
Der Fremde betrachtete schaudernd die Flammen. »Dort drinnen?«
»Nein. Die Eltern wurden herausgeschleudert, und wo der Junge ist, weiß ich nicht.«
»Schlimm, schlimm«, sagte der Fremde. »Kennen Sie die Leute?«
»Ja, die Holdens. Leben in dem großen alten Haus auf dem Hügel. Mein bester Freund und seine Frau. Ich fuhr hinter ihnen her«, log Brennan. »Kommen Sie, wir wollen sehen, ob wir das Kind finden können. Was ist mit der Polizei?«
»Ich habe meine Frau losgeschickt. Unten an der Straße ist eine Telefonzelle.«
Paul Brennan ließ sich nichts von der Enttäuschung in seiner Arbeit unterbrochen worden zu sein, anmerken. »In Ordnung. Wir wollen uns umsehen. Sie übernehmen die eine Seite, ich die andere.«
Der kleine Jimmy brauchte keine umfassende Erziehung, um zu begreifen, daß Paul Brennan nur wenige Sekunden unbeobachteter Aktivität brauchte, um dann mit gespielter Trauer die Entdeckung des dritten Toten verkünden zu können. Nun, da seine Intelligenz versagte, wurde seine Handlung vom Instinkt geleitet. Hilfe war in der Nähe, der er vertrauen konnte. Die Muskeln seiner Kehle entspannten sich, und Jimmy begann zu weinen – ein Wimmern zunächst, das bald in hemmungsloses Schluchzen überging, als die eisige Lähmung seiner Glieder nachließ.
Sein Schluchzen zog die Aufmerksamkeit beider Männer auf sich. Seite an Seite drangen sie durch die Büsche zu dem Jungen vor. Beide bückten sich, aber Jimmy wandte sich hilfesuchend dem Fremden zu. Behutsam nahm der Mann den Jungen auf, wiegte ihn in seinen Armen und streichelte seinen Kopf. Jimmy schlang seine dünnen Ärmchen um den Hals des Fremden und klammerte sich an ihm fest.
»Ich werde ihn nehmen«, sagte Brennan und streckte seine Arme aus.
Jimmy klammerte sich noch fester an den Fremden.
»Sie werden ihn nicht so leicht losreißen können«, erklärte der Mann. »Ich kenne das. Ich habe selbst zwei Kinder.«
Brennan zuckte die Schultern. »Ich dachte nur …«
»Lassen Sie nur«, erwiderte der Mann. »Das Kind hat einen Schock bekommen. Ich trage den Jungen bis zur Straße, dann können Sie ihn nehmen.«
»Gut.«
Den Hang hinaufzuklettern, war eine mühselige Arbeit für den Mann, der Jimmy Holden trug. Brennan half, so gut es ging, hielt Büsche beiseite und erbot sich immer wieder, den Jungen zu tragen, aber Jimmy preßte sich enger an den Fremden, und dieser wies Brennan stets mit einer kurzen Kopfbewegung ab.
Als sie schließlich die Straße erreichten, heulten bereits Sirenen in der Ferne, und kurz darauf waren Polizei, Feuerwehr und eine Ambulanz eingetroffen. Die Feuerwehr beschäftigte sich sachkundig mit dem brennenden Wagen; die Polizei umringte Paul Brennan und hörte von ihm eine Geschichte, die genügend Wahrheit in sich hatte, um überzeugend zu klingen, und die Ärzte der Ambulanz nahmen sich Jimmy Holdens an.
Sie gaben ihm ein leichtes Beruhigungsmittel, wickelten ihn in eine warme Decke und legten ihn auf das Feldbett in der Ambulanz. Mit der Anwesenheit so vieler besorgter Fremder ließen Jimmys Schock und Angst nach. Das Beruhigungsmittel begann zu wirken, und als die offizielle Unfallaufnahme und alle Formalitäten erledigt waren, schlief Jimmy Holden ruhig und fest.
Er hörte nicht mehr, daß Paul Brennan vorschlug, Jimmy mit nach Hause zu nehmen und seinem persönlichen Arzt zur Behandlung zu übergeben, noch daß dieser Vorschlag von den Ambulanzhelfern entschlossen zurückgewiesen wurde. Brennan konnte sich schwerlich dem Argument widersetzen, daß ein Unfallopfer im Krankenhaus unter ständiger Beobachtung besser aufgehoben sei, und außerdem war die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß vielleicht innere Verletzungen oder Prellungen vorlagen.
Jimmy Holden erwachte zehn Stunden nach seinem Unfall, und der gute Schlaf hatte ihn wieder völlig hergestellt. Er blickte um sich, zuckte ein wenig zusammen, als er sich an den Unfall erinnerte, und erkannte seine Umgebung dann als eine Art Kinderschlafsaal. Er selbst befand sich in einem Kinderbett.
Empört setzte er sich auf und rüttelte an den Gitterstäben des Bettes. James Quincy Holden in ein Kinderbett zu stecken, war eine unerhörte Beleidigung.
Er hielt inne, weil der Lärm durch den Raum hallte und einer der kleinen
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