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Das Gelübde einer Sterbenden

Das Gelübde einer Sterbenden

Titel: Das Gelübde einer Sterbenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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retten. Heute strebte er, sie gegen sie selbst zu verteidigen, zu verhindern, daß sie sich einen Liebhaber nahm, und heute litt und stöhnte er so wie damals.
    Um sich selber zu täuschen, schützte er die ihm anvertraute Mission vor, behauptete er, eine heilige Pflicht zu erfüllen. Dieses Mal handle es sich um die Ehre der jungen Frau, um ihren Seelenfrieden. Nie sei der Kampf aufregender und entscheidungsvoller gewesen.
    Aber schon im nächsten Augenblick lachte er über den Vorwand, that er sich selber leid, gestand er sich, daß er sich belog und daß die Liebe allein ihn dazu treibe, sich auf diese Weise um Jeanne’s Glück zu bekümmern. Er sah die Tiefen seiner Seele nur zu deutlich: Der gewissenhafte Tugendwächter hatte sich in einen leidenschaftlichen Anbeter verwandelt, der nur aus Eifersucht über die Frau wachte, zu deren Hüter er bestellt war.
    Dies alles sagte er sich und drückte das Gesicht in die Hände, weinte, schluchzte, sann qualvoll nach, wie er sie, wie er sich retten solle.
    Endlich als er weiter keinen Ausweg fand, nahm er einen Bogen Papier und setzte einen Brief an die junge Frau auf. Jetzt trockneten die Thränen, die seine Wangen benetzten, denn das Fieber ging in die Hand über, die eilig über das Papier hinglitt.
    Zwei Stunden lang blickte er nicht auf, zwei Stunden brauchte er, um seine Seele zu entlasten. Er ergoß in den Brief den Strom seiner Gefühle ohne Scheu, rückhaltslos, ohne irgend welche Schranken zu beachten. Alles, alles sagte er, getrieben von der innern Kraft, die ihn mit sich fortriß; er schüttete sein Herz aus, weil er zu ersticken drohte und der Luft bedurfte. Erst als der Sturm in seinem Innern ausgetobt hatte, hielt er Inne. Er las den Brief nicht wieder durch und unterschrieb ihn nicht.
    Am nächsten Tage ließ er das Schreiben Jeanne zustellen. Was die Wirkung sein würde, wußte er nicht, aber er hoffte.
     

XIII
    Daniels Brief an Jeanne lautete folgendermaßen: »Verzeihen Sie mir, aber ich kann nicht schweigen; ich muß mein Herz ausschütten. Wer diese Zeilen geschrieben hat, werden Sie nie erfahren. Sie enthalten das Geständniß eines Unbekannten, der nicht den Mut hat Sie zu lieben, ohne es Ihnen zu sagen.
    Ich verlange nichts, sondern wünsche nur, daß Sie dieses Schreiben lesen, damit Sie wissen, daß es einen Mann giebt, der auf den Knien liegt und weint, wenn Sie weinen. Geteiltes Leid ist leichter zu tragen. Ich, der einsam trauern muß, weiß, wie schwer die Einsamkeit auf wunden Herzen lastet.
    Ich bitte nicht um Trost und will mein Elend geduldig weiter tragen; aber ich möchte, daß Sie der hohen Wonne und des süßen Friedens teilhaftig würden, den eine hochsinnige Liebe verleiht.
    Deshalb schreibe ich Ihnen, daß ich Sie liebe, daß Sie nicht allein sind und nicht zu verzweifeln brauchen.
    Sie kennen nicht die herben Freuden der Verborgenheit. Mir ist, als liebte ich über das Leben hinaus, als gehörten Sie mir, mir ausschließlich, in dem unendlichen Reich der Phantasie. Und Niemand dringt in mein Geheimniß ein: Ich verberge meine Liebe wie ein Geizhals seine Schätze; allein liebe ich Sie und allein weiß ich, daß ich Sie liebe.
    Sie schienen mir schwermütig, als ich Sie neulich des Abends sah. Aber ach, ich kann nichts thun, Sie glücklich zu machen, und bin Ihnen nichts und darf Sie nicht bitten, mir in meine Traumwelt zu folgen. Steigen Sie höher, und noch immer höher empor; denken Sie, daß Sie mich nicht zu Gesicht bekommen werden, und lieben Sie mich.
    Dann werden Sie droben die Welt finden, in der ich lebe.
    Ich habe beide Hände auf mein Herz gedrückt, um es zu ersticken; aber es hat nicht aufhören wollen, für Sie zu schlagen. Da bin ich vor Ihnen wie vor einer Heiligen niedergekniet und habe Sie ekstatisch angebetet.
    Ich weiß nicht mehr, wozu ich jetzt noch lebe.
    Aber ich war dazu geboren, Sie zu lieben, Ihnen meine Liebe zuzuschreiben und statt dessen muß ich schweigen, auf ewig schweigen. O wäre ich doch einer von den Gegenständen, der Ihnen zum täglichen Gebrauch dient, oder nur die Erde, die Ihre Füße treten!
    Vernehmen Sie nun, was mir die schwerste Sorge bereitet: Ich weiß, daß Sie sich unglücklich fühlen und daß Sie im Kampfe mit sich selbst liegen. Daher peinigt mich hier in meiner Einsamkeit die Furcht, Sie könnten etwas thun, das meinen ehrfurchtsvollen Glauben an Sie erschüttern könnte. Nicht wahr, Sie verstehen die Qualen eines Menschen, der für die Religion seines Herzens

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