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Das Gelübde einer Sterbenden

Das Gelübde einer Sterbenden

Titel: Das Gelübde einer Sterbenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Lächeln ihrer Lippen war matt, die Augenlider dick von den Thränen geworden, die sie heimlich weinte.
    Als Lorin seine ehemaligen Freunde gewahr wurde, eilte er raschen Schrittes auf sie zu. Es war ihm sehr lieb, daß er mit ihnen einen vertraulichen Händedruck in Gegenwart so vieler Freunde und Bekannten austauschen konnte.
    »Endlich sehe ich Euch mal wieder!« rief er so laut daß man ihn weithin hören mußte. »Sagt mal, ist das hübsch, daß Ihr einen alten Kameraden so vernachlässigt?«
    Georg sah ihn an und besann sich, ob er lachen oder böse werden sollte. Aber Daniel, der Jeanne betrachtete, kam ihm zuvor und antwortete:
    »Wir haben viel zu thun und fürchteten auch, Sie zu belästigen.«
    »Na aber!« entgegnete Lorin mit Nachdruck. »Ihr wißt doch, daß Ihr mein Haus als das Eurige betrachten dürft. Also kommt mir nicht mit Entschuldigungen und besucht uns an unserm nächsten Empfangstage. — Sagt mal, ein schweres Geld müßt Ihr jetzt verdienen, nun Ihr so berühmt geworden seid?«
    Nun erinnerte er sich auch, daß seine Frau zugegen war, und wandte sich an sie.
    »Liebe Frau, ich stelle Dir zwei unserer berühmtesten Gelehrten, die Herren Raimbault und Georg Raymond, vor.«
    Jeanne verneigte sich leicht und fügte mit einem Blick auf Daniel:
    »Ich hatte schon das Vergnügen.«
    »Ach ja, ich entsinne mich jetzt,« rief Lorin mit einem impertinenten Lachen. »Er hat dich oft genug auf der Seine spazieren gefahren. Ja, ja, lieber Daniel, das ist sehr gescheit von Ihnen, daß Sie auf die Leiter des Ruhmes gestiegen sind. Sie thaten mir von Herzen leid, als Sie noch Sekretär bei Tellier waren. Sie wissen doch, daß er kürzlich gestorben ist? Die Einen sagen, infolge eines Gehirnschlags, die Andern behaupten, infolge einer verhaltenen Rede. Gestern habe ich auch gehöre, daß seine Frau ins Kloster gehen wollte. So endigen alle Modelöwinnen.«
    Jeanne schien unbehaglich zu Mute zu sein. Die schreiende Stimme ihres Mannes fiel ihr auf die Nerven. Es zuckte um ihre Lippen, und sie wandte sich ab, als wollte sie sich der Unannehmlichkeit entziehen, einen solchen Mann untergefaßt zu halten.
    Lorin war nicht mehr der galante Anbeter, der seine Schwerenöterrolle so hübsch gespielt hatte. Nach der Hochzeit brauchte er ja nicht mehr zu gefallen und so war er wieder zu gemeinen Instinkten, zu der Rohheit der Geldmenschen zurückgekehrt. Daniel machte sogar die Beobachtung, daß er sich nicht mehr so elegant kleidete wie früher, und daß seine Stimme etwas heiser klang, Er fand, daß Jeanne zu bedauern war.
    »Nun gut!« sagte er. »Wir werden uns die Ehre geben, und zwar recht bald.«
    Mit diesen Worten ging er davon und zog Georg mit sich fort, der den Mund nicht aufgethan und fortwährend Jeanne mit sympathischer Bewunderung angeschaut hatte.
    Als sie sich einige Schritte entfernt hatten, fragte Georg:
    »Du bist also mit Lorins Frau bekannt?«
    »Ja wohl,« lautete Daniels kurze Anwort. »Sie ist die Nichte des Abgeordneten, bei dem ich als Sekretär angestellt war.«
    »Ich bedaure sie von ganzem Herzen, denn ein so roher Patron wie ihr Mann, kann sie doch nicht glücklich machen. Du gedenkst sie bald wieder zu besuchen?«
    »Freilich!«
    »Dann komme ich mit. Die arme junge Frau schaute mit ihren großen Augen so traurig drein, daß ich mich tief bewegt davon fühle.«
    Daniel lenkte das Gespräch auf ein andres Gebiet, aber auch er war tief bewegt und empfand eine bittere Freude bei dem Gedanken, daß, was seiner Liebe nicht gelungen war, das Unglück jetzt zu bewirken anfange. Er sah ja, daß Jeanne’s Gemüt erwacht war, da sie weinen gelernt hatte.
    Eine Woche lang fragte Georg jeden Tag:
    »Nun, wie ist’s? Gehen wir morgen zu Lorin?« Aber Daniels Mut reichte zu dem Besuch nicht aus; hatte er doch das Gefühl, daß ihn dann sein altes Liebesfieber von Neuem befallen würde. Seit der Soiree, wo er ihr wieder begegnet war, schwebte ihm ihr Bild beständig vor Augen und lächelte ihn schmerzlich an. Sein armes Herz pochte wieder stürmischer und tolle Hoffnungen wirbelten ihm im Kopf herum.
    Indessen raffte er sich endlich zusammen und eines Abends machte er sich mit Georg auf den Weg. Sie fielen gerade auf einen Empfangstag und fanden den Salon schon voller Gäste, denen Lorin die beiden Gelehrten wie merkwürdige Tiere zeigte.
    Diese Soiree brachte Daniel viel Herzeleid. Bestätigten doch die Beobachtungen, die er machte, nur zu sehr seine schlimmsten Vermutungen.
    Er fand, daß Jeanne

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