Das Geschwärzte Medaillon (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
so grell leuchteten mir die roten Neonbuchstaben entgegen und verkündeten »Sunnyside Motel«
Ich konnte mir nicht richtig erklären, warum ich so unglaublich müde war. Ich hatte geschlafen, auch wenn der Traum ziemlich echt gewirkt hatte. Aber dennoch hatte ich geschlafen und war mit dem Kopf an der Fensterscheibe des mintgrünen Ford Galaxy aufgewacht. Eine Schlafposition, die alles andere als gemütlich war.
»Kein Traum«, nuschelte ich zu mir selbst, als ich hinter Keira durch die Drehtür ging. Sie warf mir nur einen kurzen, besorgten Blick über ihre Schulter zu, bevor sie den Mann hinter der Rezeption anlächelte. Er lehnte auf dem Tresen und blätterte in einem Magazin, um nicht einzuschlafen. Er war bestimmt so ungefähr fünfunddreißig und schien für diesen Job mehr als überqualifiziert. Er schreckte auf, als Keira zu ihm herantrat, und überspielte es dann mit einem freundlichen, wenn auch müden, Lächeln.
»Wie kann ich euch helfen?«
Ich versuchte sein Gesicht genauer zu betrachten, aber irgendwie wollte es mir nicht gelingen, es scharf zu stellen. Es verschwamm immer wieder und alles, was ich sehen konnte, war das undeutliche Bild eines Mannes, der vielleicht, und auch nur vielleicht, einen Bart trug.
»Wir bräuchten ein Zimmer für den Rest der Nacht und vielleicht den halben Tag morgen.«
Er nickte und ich bemerkte, wie sein Blick neugierig und ein wenig besorgt zu mir wanderte.
Entweder fragte er sich, ob Keira und ich etwas Besonderes vorhatten oder er vermutete, dass ich auf Drogen war und sie mich mehr oder weniger gerade rettete. So zumindest wirkte sein Gesichtsausdruck auf mich. Vielleicht lag ich mit meiner Einschätzung falsch, als ich dachte, er sei relativ intelligent. Ich lehnte mich erschöpft an den Tresen und versuchte dem Gespräch zu folgen.
»Ihr scheint ja ein paar heftige Nächte hinter euch zu haben«, feixte er und sah Keira aufdringlich an.
»Wir haben auch Kingsize Betten, falls ihr da weiter machen wollt, wo ihr aufgehört habt.«
Dieses Mal heftete sich sein Blick auf mich und ich musste wohl einsehen, dass mein erster Eindruck so falsch gewesen war, dass es unmöglich schien, dass ich die Seelenseherin sein sollte. Zu meiner Verteidigung konnte ich zumindest sagen, dass ich nicht viel mehr als seine verschwommenen Umrisse erkannt hatte. Ich spürte, dass Keiras Körperhaltung sich änderte. Ihre Muskeln spannten sich an. Alles an ihr strahlte nun etwas Bedrohliches aus. Es war eine Genugtuung zu sehen, wie der Mann einen Schritt zurücktrat und hastig zur Tür sah.
»Wir hätten gerne ein ganz normales Zimmer und sollten Sie auch nur auf eine dumme Idee kommen, könnte das sehr schnell schlecht für Sie ausgehen. Ich bin nicht besonders tolerant gegenüber solchen Arschlöchern wie Ihnen. Wenn Sie mir und meiner Freundin auch nur zu nahe kommen, ist das Ihr Ende«, drohte Keira und ich wusste, dass sie nicht scherzte. Ihre ganze Körperhaltung zeigte, dass sie gerade vollkommen in der Schützerin versank. Er schob ihr einen Schlüssel zu und versuchte dabei so weit auf Abstand zu bleiben, wie es ihm nur möglich war.
»Zimmer 3b«, stotterte er und sah Keira immer noch verwirrt und verängstigt an. Ich stieß mich gerade vom Tresen ab, als Keira sich noch einmal zu ihm umdrehte.
»Ach ja, wäre sie nicht nur meine beste Freundin, sondern auch meine feste Freundin, dann wären Sie jetzt wohl schon tot.«
Er wurde totenblass und verschwand hastig in seinem Büro. Keira lächelte zufrieden und schlang sich dann meinen Arm um die Schulter.
»Lass. Ich kann sehr wohl noch laufen«, protestierte ich schwach. Meine Beine bewiesen sogleich das Gegenteil und drohten unter mir zusammenzuklappen.
»Ja, das sehe ich«, war ihre knappe Antwort. Zimmer 3b war zum Glück so nah, dass wir nicht weit laufen mussten. Es war nichts Besonderes und trotzdem ausgesprochen sauber, wenn man bedachte, wer der Besitzer war. Es hatte zwei Betten, die durch kleine Nachttische getrennt waren. In einer Ecke stand ein hässlicher kleiner Tisch, auf dem ein uralter Röhrenfernseher stand, der sogar noch eine Zimmerantenne hatte. Der Kleiderschrank war zwar etwas schief, schien aber nicht jede Sekunde zusammenzubrechen. Alles in allem war es annehmbar. Keira schleifte mich schon fast zu einem der Betten und verstaute dann unsere Rucksäcke auf einem der Stühle, die wahllos ins Zimmer gestellt wirkten. Ich war kurz davor auf der Stelle einzuschlafen, als ich es doch noch fertig
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