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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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waren die Feiernden, die an ihm saßen. Die überfressenen Zuhörer lehnten sich mit glänzenden Gesichtern und fettigen Lippen zurück, versuchten, die Blicke aus ihren blutunterlaufenen Augen auf Lord Mandible zu richten, und bohrten dabei mit silbernen Zahnstochern zwischen den Zähnen herum. Lady Mandible schien ein kurzes Lächeln in die Runde zu schicken, das man vielleicht als liebenswürdig hätte interpretieren können, aber es konnte ebenso gut nur ein Zucken gewesen sein. Hector war die ganze Vorstellung zutiefst zuwider.
    Aus den Augenwinkeln sah er mehrere Diener, die am Ende des Raumes gerade eine Trennwand zur Seite schoben. Dahinter wurde Lord Mandibles Instrument sichtbar. Doch was war das auf dem Boden neben den Pedalen? Die Diener, die zu dicht davor waren und ohnehin ganz mit dem Instrument beschäftigt, achteten nicht auf das, was neben ihren Füßen lag. Langsam und unauffällig ging Hector hinüber. Der Gegenstand kam ihm in Umriss und Farbe bekannt vor. »Oh nein«!, murmelte er mit einem flauen Gefühl in der Magengegend, denn das sonderbare Bündel auf dem Fußboden war nichts anderes als Percy, Mandibles zweite Katze!
    Und sie war so tot wie das Borstenrückenschwein.
    »Tartari flammis!«, flüsterte Hector, bückte sich rasch und hob die Katze auf, gerade als Mandibles Ankündigung durch die stickige, schwere Luft tönte.
    »Lysandra zu Ehren werde ich nun eine Melodie spielen, die ich selbst für das Cembalo komponiert habe, das nämliche Instrument, auf dem mein armer Vater mir früher vorzuspielen pflegte. Den Text dazu habe ich bereits vor einer Weile verfasst, in der Hoffnung, dass dieser Tag kommen werde.«
    Hector stand wie gelähmt. Er konnte es schlecht geschehen lassen, dass Mandible ausgerechnet jetzt seine geliebte Katze tot vorfände. Heute und hier war weder die Zeit noch der Ort für eine solche Enthüllung. Blitzschnell stopfte Hector die noch warme Katze vorn in seine Weste und schnallte den Gürtel so eng, dass sie nicht herausfallen konnte. Später würde er eine Gelegenheit suchen müssen, das Tier loszuwerden. Er drückte sich gegen die Vorhänge, als Lord Mandible nun humpelnd und mit raschelnder Hose herankam und sich vor dem Cembalo niederließ. Eine komische Figur stellte er dar in seinem Bärenfell und dem gehörnten Helm, der inzwischen leicht verrutscht war, doch an solchen Kleinigkeiten stießen sich seine Gäste längst nicht mehr. Er fing an zu spielen und zu singen – jedenfalls bemühte er sich darum.
    »An einem kalten Morgen,
    Da holt’ ich mein Gewehr.
    Mein Diener fragt: ›Zur Jagd, Mylord?‹
    Ich sag: ›Ich wart nicht mehr.
    Gesattelt bring mein Pferd herbei
    Und ruf meinen treuen Hund,
    Erfüllen soll sich heut mein Schwur,
    Den ich schon längst tat kund!‹
    So ritt ich von früh bis abends,
    So ritt ich am nächsten Tag,
    Und als zum zweiten Mal es dämmert’,
    Ein Grunzen ich hört aus dem Hag.
    Schon bricht hervor der Unhold
    Mit boshaftem Blick, die Hauer voran;
    Er stürmt auf mich los, sein Geifer spritzt –
    Da leg die Muskete ich an.
    Ein Schuss – verwundet ist das Tier,
    Ein zweiter und tot stürzt es hin.
    Sein Fleisch soll gebraten uns schmecken,
    Seine Seele zur Höll’ fahren hin!«
    Er schloss mit einem herrlich schrägen Dreiklang und einer steifen Verbeugung. Ungläubig schüttelte Hector den Kopf, als der Saal von Jubelrufen und Applaus bebte. Vier volle Minuten dauerte es, bevor sich Seine Lordschaft setzen konnte. Doch nun erhob sich Lady Mandible von ihrem Thronsitz und sofort kehrte wieder Stille ein.
    »Auch ich habe etwas für Euch, mein teurer Gatte. Gleich bin ich zurück«, sagte sie geheimnisvoll lächelnd und rauschte aus dem Saal.

Kapitel 30

    Ein besonderes Geschenk
    I
m Speisesaal prasselten Feuer in drei großen Kaminen, lautes Gelächter stieg zur Decke auf, und während weitere Gerichte aufgetragen wurden, nahm das Mittwinterfest auch ohne Lady Mandible seinen Fortgang.
    In dem Hochgefühl, in das ihn die begeisterte Aufnahme seines Cembalovortrags versetzt hatte, war Lord Mandibles Appetit viermal so groß wie sonst. Der Applaus, die Anerkennung, das alles hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben. Er aß hungrig und leckte und saugte das Fett von seinen Fingern.
    Aber ach, wie heiß war es heute Abend im Saal! Er spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief, und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augenbrauen. Ihm war ein wenig übel. Die Überbleibsel, die von dem Schwein noch auf der

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