The Homelanders, Band 3: The Homelanders - Tödliche Wahrheit (Bd. 3) (German Edition)
1
W ATERMAN
Die Drehtür bewegte sich. Plötzlich war er da: Waterman.
Der Mann, der vielleicht die Antworten auf meine Fragen kannte und meinen Namen reinwaschen konnte. Er trat aus dem schwarzen Büroturm heraus, blieb im Dämmerlicht des spätherbstlichen Nachmittags stehen, knöpfte seinen Mantel zu und schaute hinauf in die wirbelnden Schneeflocken, die vom schiefergrauen Himmel fielen. Dann ging er über den Bürgersteig davon, reihte sich ein in die Menge der Berufspendler und der vielen Passanten, die Weihnachtseinkäufe machten.
Ich heftete mich an seine Fersen.
Lange hatte ich an einem Tisch am Fenster des Starbucks auf der gegenüberliegenden Straßenseite gewartet, mich an einem Erdbeer-Bananen-Smoothie festgehalten und Watermans Gebäude beobachtet. Jetzt saugte ich den letzten Rest des Safts mit einem schlürfenden Geräusch durch den Strohhalm, machte den Reißverschluss meiner schwarzen Fleecejacke zu und eilte nach draußen.
Zum ersten Mal, seit dieser Albtraum begonnen hatte, machte sich die leise Hoffnung in mir breit, dass ich tatsächlich mein Leben zurückbekommen und wieder nach Hause gelangen könnte. Waterman war vielleicht der Einzige, der erklären konnte, wieso ein ganzes Jahr dieses Lebens ausmeiner Erinnerung verschwunden war. Wieso ich eines Abends in meinem eigenen Bett eingeschlafen und in den Fängen von Terroristen, den Homelanders, wieder aufgewacht war – und noch dazu wegen des Mordes an meinem besten Freund von der Polizei gesucht wurde!
Während ich mir einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, blieb ich ungefähr einen Block hinter Waterman zurück. Der große Mann, der bis auf einen dünnen silbernen Haarkranz kahl war, überragte die anderen Menschen auf dem Gehsteig und war leicht im Blick zu behalten.
Aber obwohl mein Herz von Hoffnung erfüllt war, raste es dennoch vor Angst.
New York City war in diesem Moment nur ein paranoider Albtraum für mich. Die aus dem Boden ragenden Wolkenkratzer und Bürogebäude, die mich umschlossen, ließen oben zwischen den Dächern nur einen kleinen grauen Streifen Himmel frei. Die Straße am Fuß der steilen Wände war wie eine schmale Schlucht zwischen Türmen aus grauem Gestein. Die Menschen und Autos, die sich Schulter an Schulter, Stoßstange an Stoßstange durch diese Schlucht schoben, wurden in einem wilden Chaos aus Stahl und Glas zusammengepfercht. Ständig wurde gehupt, alle paar Minuten ertönte eine Sirene und Presslufthämmer dröhnten ohrenbetäubend, wo Arbeiter den Straßenbelag aufrissen. Der Krach war überwältigend.
Überall Gesichter und Augen. Sie gehörten zu ganz normalen Leuten, die auf dem Weg von der Arbeit nach Hause oder zum Einkaufen waren. Zu schleichenden, finsteren und verdächtigen Gestalten, die meine Feinde sein konnten – oder einfach nur Kriminelle. Sie gehörten zu Polizisten, diescheinbar an jeder Straßenecke standen oder in Streifenwagen am Bordstein saßen und die Passanten beobachteten.
Für jeden anderen mochte das alles aufregend, schillernd und voller Energie erscheinen, aber jeden Moment konnte sich eines dieser Augenpaare auf mich richten und mich erkennen, konnte einer der Passanten mit dem Finger auf mich zeigen und ausrufen: »Da ist Charlie West! Schnappt ihn!«
Weiter vorn bog Waterman um eine Ecke und verschwand aus meinem Blickfeld. Aus Angst, ihn zu verlieren, drängte ich mich schneller durch die Menge. Ich glitt zwischen Körpern hindurch, die von schweren Mänteln und Daunenjacken gepolstert waren, streifte Aktenkoffer, Umhängetaschen und mit verpackten Geschenken gefüllte Einkaufstüten. Schließlich erreichte ich eine Kreuzung und schaute mich um. In der Seitenstraße, in die Waterman eingebogen war, herrschte weniger Betrieb, sodass er gleich auszumachen war.
Ich eilte zwei Blocks hinter ihm her. Je weiter er sich vom Stadtzentrum entfernte, desto weniger Menschen und Autos waren unterwegs und desto schwerer, ja fast unmöglich wurde es, mich zu verstecken. Ich konnte nur hoffen, dass Waterman sich nicht umdrehte und mich entdeckte. Auch wenn er vielleicht den Schlüssel zum Geheimnis meines fehlenden Jahres besaß, wusste ich nicht, ob er mein Freund oder mein Feind war. Vielleicht würde er sich abwenden und weglaufen, wenn ich ihn auf der Straße ansprach, mich womöglich angreifen oder an die Polizei ausliefern. Ich wusste es einfach nicht. Also beschloss ich, ihm eine Weile zu folgen und mehr über ihn herauszufinden, bevor ich mich zu erkennen gab. Ich
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