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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Augen. »Herrje, Ruth wird mir die Hölle heiß machen, das weiß ich jetzt schon.«
    Â»Das wird sie nicht«, erwiderte Wanda müde. Sie tippte neben sich auf die gepolsterte Bank, wo ihre Handtasche stand. »Diese Geburtsurkunde schützt Sylvie vor Francound seiner Familie, jetzt kann niemand mehr daherkommen und uns das Kind wegnehmen. Genau das hat Marie gewollt. Mutter wird also verstehen, daß ich gar keine andere Wahl hatte.«
    Johanna schüttelte den Kopf. »Es gibt immer mehr als eine Möglichkeit. Auch Peter und ich hätten die Kleine aufnehmen können, ich meine, immerhin bin ich ihre Tante!« Bei ihren letzten Worten zitterte ihre Unterlippe schon wieder verdächtig.
    Wanda legte eine Hand auf ihren Arm. »Sylvie braucht uns alle, wir alle werden uns um die Kleine kümmern! Aber ich habe doch tagsüber viel mehr Zeit für sie als du. Und wenn Richard und ich erst einmal verheiratet sind, hat Sylvie eine richtige kleine Familie.«
    Johanna schnaubte. »Das ist auch so eine Sache! Du weißt, daß ich Richard sehr schätze, er ist ein ausgezeichneter Glasbläser! Aber ob er auch einen ausgezeichneten Ehemann abgeben wird? Ich weiß es nicht …« Sie brach ab, als die Serviererin zwei Teller mit Apfelkuchen brachte. Kaum war die Frau wieder in der Küche verschwunden, fuhr Johanna fort, noch ehe Wanda etwas sagen konnte: »Richard ist so … versessen! Ich meine, wir haben auch tagein, tagaus mit Glas zu tun, wir leben damit, und manchmal habe ich das Gefühl, wir brauchen es zum Atmen so wie andere Menschen die Luft.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber Richard … Bei ihm steht die Liebe zum Glas tatsächlich an oberster Stelle. Ob da noch genug Zeit und Gefühl für eine Frau oder gar eine Familie sein wird?«
    Wanda hob konsterniert die Augenbrauen. »Natürlich! Was redest du denn da? Richard ist der liebenswürdigste Mann, den ich kenne! Du müßtest mal erleben, wie besorgt er um Sylvie und mich ist! Und was seine Arbeitangeht – wäre es dir lieber, ich hätte mir einen Faulpelz ausgesucht? Er ist eben sehr zielstrebig! Und ehrgeizig. Was ist daran falsch?«
    Johanna winkte ab. »Nichts ist daran falsch. Trotzdem – ich glaube kaum, daß deine Mutter begeistert sein wird, wenn sie erfährt, daß ihr noch in diesem Sommer heiraten wollt. Ihr kennt euch doch gerade einmal ein halbes Jahr! Es heißt nicht umsonst: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Schau dir doch nur Marie an …«
    Â»Also, das kannst du nun wirklich nicht vergleichen!« erwiderte Wanda heftig. »Richard ist ein Ehrenmann, er wird immer für Sylvie und mich dasein. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich ihn als Vater angeben sollen – so weit geht sein Verantwortungsgefühl uns gegenüber. Er war beinahe eingeschnappt, als ich seinen Vorschlag ablehnte.«
    Johanna murmelte etwas, was einer Entschuldigung glich, und stocherte dabei in ihrem Apfelkuchen herum.
    Wanda nahm einen weiteren Schluck Kaffee, um gegen die erneut aufsteigende Erschöpfung anzukämpfen. Vielleicht war es ganz gut, daß sie so müde war – sonst hätte sie sich bestimmt ernsthaft mit Johanna angelegt. Statt dessen kaute sie auf ihrem Apfelkuchen herum, ohne wirklich etwas zu schmecken.
    Â»Und dann die Tatsache, daß du bei deinem Vater wohnst und nicht bei uns …« Johanna schaute von ihrem Kuchenstück auf.
    Â»Auch das wird böses Blut geben. Wie soll ich deiner Mutter erklären, daß du mit Sylvie nicht wieder zu uns gezogen bist?«
    Wanda spürte, wie sich Ärger in ihre Müdigkeit mischte. Dieses ewige Diskutieren … Sie wußte doch auch nicht, was richtig oder falsch war, sie handelte nachGefühl und bestem Wissen und Gewissen – war das denn ein Verbrechen? Es gab eben kein Handbuch, in dem sie hätte nachschlagen können! Sie war auch in Genua allein auf sich gestellt gewesen. Niemand hatte ihre Entscheidungen angezweifelt, alle hatten bei ihrer Heimkehr gesagt – Johanna, ihr Vater und ihre Mutter am Telefon, Richard –, sie habe richtig gehandelt. Erwachsen und besonnen. Alle hatten sie gelobt ob ihrer Tapferkeit. Aber seit sie vor fünf Tagen nach Lauscha zurückgekehrt war, hatte jeder unzählige Ratschläge für sie parat. Am liebsten hätte sie Johanna deshalb barsch

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