Das Glück eines Sommers
wusste, dass Sammy sämtliche Aufträge ihrer Firma allein erfüllt und Lizzie dann das Geld gebracht hatte. »Mindestens die Hälfte des Geldes gehört dir, Sammy. Du machst die Arbeit, und du musst ja auch essen.«
»Ich kriege meine Pension von Vater Staat. Das ist mehr, als ich brauche. Sollte sich das ändern, lasse ich’s dich wissen.«
Sammy lebte mit seinem riesigen Bernhardiner, Sam junior, in einer umgebauten Garage. Er brauchte tatsächlich nicht viel, zumal er keine Wünsche außer der Reihe zu haben schien.
Sammy kämmte Jack das Haar und rasierte ihn. Dann redeten die beiden Freunde eine Weile miteinander. Besser gesagt, Sammy erzählte ein bisschen, und Jack hörte zu. Den Rest der Zeit saßen sie schweigend beieinander. Jack war es egal. Allein durch Sammys Gegenwart fühlte er sich besser.
Nachdem Sammy gegangen war, griff Jack zum Stift und strich den 21. Dezember ab. Das war ganz schön optimistisch, denn der Tag hatte gerade erst begonnen. Er legte Stift und Kalender wieder weg.
Und dann passierte es.
Er konnte nicht mehr atmen. Zuckend setzte er sich auf, aber das machte es nur noch schlimmer. Jack spürte das Hämmern seines Herzens und den Krampf in der Lunge. Sein Gesicht wurde erst rot, dann weiß, als der Sauerstoff aus seinem Körper wich und nicht ersetzt wurde.
Der 21. Dezember, schoss es ihm durch den Kopf, mein letzter Tag auf Erden.
»Pop-pop?«
Jack hob den Blick und sah, wie sein Sohn das Ende des Luftschlauchs in der Hand hielt, das normalerweise mit der Pumpe verbunden war. Der Junge hielt es hoch, als wollte er es seinem Dad zurückgeben.
»Jackie!«
Eine entsetzte Lizzie erschien in der Tür, riss ihrem Sohn den Schlauch aus der Hand und steckte ihn rasch wieder in die Pumpe. Augenblicke später strömte der Sauerstoff wieder, und Jack fiel schwer atmend aufs Bett zurück und füllte gierig seine Lunge.
Lizzie war sofort neben ihm. »O Gott, Jack.« Sie zitterte am ganzen Körper.
Jack hob die Hand zum Zeichen, dass alles okay sei.
Lizzie fuhr herum und schnauzte ihren Sohn an: »Das war böse, Jackie! Sehr, sehr böse!«
Jackies Gesicht fiel förmlich in sich zusammen, und er heulte los.
Lizzie schnappte sich den Jungen und trug ihn aus dem Zimmer. Er versuchte, sich zu befreien, blickte Jack über Lizzies Schulter hinweg an und streckte flehend die Arme nach ihm aus.
»Pop-pop!«, heulte er.
Jack liefen die Tränen übers Gesicht, als das Jammern seines Sohnes draußen auf dem Flur verebbte. Doch als er dann Lizzie schluchzen hörte und sich vorstellte, wie sie sich die Seele aus dem Leib weinte, fragte er sich, was sie getan hatte, um so etwas ertragen zu müssen.
Manchmal , dachte Jack, ist Leben schwieriger als Sterben.
KAPITEL 3
Spät am nächsten Tag erwachte Jack von einem Nickerchen und sah, wie seine Tochter Mikki die Flurtür öffnete. Sie trug einen Gitarrenkoffer bei sich. Jack winkte sie zu sich. Sie schloss die Tür und kam pflichtbewusst in sein Zimmer geschlurft.
Mikki hatte dunkles Haar wie Jack, hatte es aber so bunt gefärbt, dass Jack nicht wusste, wie man es jetzt nennen sollte. Und sie schoss förmlich in die Höhe. Ihre Beine waren lang und schlank, und an Hüfte und Brust legte sie allmählich zu. Doch auch wenn sie so tat, als wäre sie jetzt erwachsen, war ihr Gesicht noch immer halb Kind, halb Frau. Nächstes Jahr würde sie auf die Highschool wechseln. Wo war nur die Zeit geblieben?
»Ja, Dad?«, sagte sie, ohne Jack anzuschauen.
Jack hatte darüber nachgedacht, was er ihr sagen wollte, aber da gab es nicht viel. Selbst als er noch gesund gewesen war, hatten er und Mikki sich auseinandergelebt.
Das war meine Schuld , überlegte er, nicht ihre.
»Deine Eins …« Er atmete tief ein und versuchte ein Lächeln.
Mikki grinste. »Toll, nicht? Leider meine einzige. Mom hat dir davon erzählt, was?«
»Ja.«
»Schön, dass du dich freust.« Verlegen schaute sie zu Boden. »Tut mir leid, Dad, aber ich muss jetzt los. Da warten ein paar Leute auf mich. Wir müssen üben.«
Sie spielte in einer Band, das wusste Jack, auch wenn er sich nicht an den Namen erinnern konnte.
»Okay. Pass auf dich auf.«
Mikki wandte sich zum Gehen, zögerte dann aber. Nervös spielte sie mit den Fingern am Griff des Gitarrenkoffers. Dann drehte sie sich wieder um, blickte ihrem Vater aber immer noch nicht in die Augen. »Ich wollte dir nur sagen, ich hab den Sauerstoffschlauch mit Klebeband an der Pumpe festgemacht, damit er nicht mehr so einfach
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