Das Glück wartet in Virgin River
Fürchtete er sich in seiner neuen Umgebung? Clay ging zu der Box und schaute hinein. Streak stand mit dem Kopf vor einer Ecke und wieherte im Schlaf, wobei er mit einem Vorderbein gegen die Wand der Box schlug. Sowie Clay sich dem Fohlen näherte, spürte er seine Angst. Er nahm das tiefe, dunkle, feuchte Loch wahr und registrierte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Im Traum des Pferdes war es dunkel und kalt.
Das war jetzt kein guter Moment, die Box zu betreten, also griff er nur mit einer Hand hinein. „Hey, hey, hey“, sagte er sehr leise. „Jetzt mal ganz ruhig.“ Das Pferd hob den Kopf, drehte ihn um und sah Clay mit seinen großen braunen Augen an. Es schnaubte und schüttelte den Kopf. Wenig später hatte es sich so weit beruhigt, dass es sich zu der Stalltür umdrehte und nahe genug herankam, um sich von Clay streicheln zu lassen. Ängstlich und allein, war Streak bereit, das Risiko einzugehen und Clay zu vertrauen. Es war ein Moment großer Verbundenheit. Clay streichelte ihn sanft. „Ganz ruhig, junger Mann. Das waren keine süßen Träume, nicht wahr, mein Junge?“
Clay überließ sich dieser Verbundenheit nur kurze Zeit, dann schloss er die Tür und entfernte sich leise, wobei er Streak zurückließ, der nun Vertrauen kennengelernt hatte und mehrwollte. Clay war klar, dass er im Traum des jungen Hengstes gelandet war. Irgendwann in seinem Leben musste er viel zu lange in einem dunklen Loch eingeschlossen gewesen sein, was ihn völlig verängstigt hatte. Streak war traumatisiert. Schon oft hatte Clay das Gefühl gehabt, die Gedanken eines Tieres aufzufangen, aber noch nie hatte er eine derartige Übertragung erlebt. „Der Anfang ist gemacht“, sagte er sich.
Als Streak ihn nicht mehr sehen konnte, lehnte Clay sich an eine Wand und wartete auf weiteren Tumult aus der Box. Aber lange Zeit blieb es ruhig, deshalb ging er ins Bett, und diesmal löschte er das Licht. Den Rest der Nacht verbrachte er in entspanntem Schlaf.
Früh am nächsten Morgen versorgte Clay alle sechs Pferde. Er brachte die vier, die Nathaniel und Annie gehörten, auf die große Koppel und Blue in ihren Paddock. Fürs Erste wollte er Streak im Longierzirkel lassen, denn er hatte nicht vor, die Pferde zusammenzuführen, bis er Zeit gehabt hatte, sie zu beobachten, und sicher sein konnte, wie mit ihnen umzugehen war. Eine Überraschung wäre es jedenfalls nicht, wenn Streak Ärger machte.
Es war noch nicht sieben, als er hinter dem Haus bei Nathaniel und Annie an die Küchentür klopfte. Gleich würde die Sprechstunde losgehen, und soweit Clay informiert war, musste Nathaniel als Erstes ein paar Hausbesuche machen. Er wollte mit ihm sprechen, bevor er zu beschäftigt war.
„Guten Morgen“, begrüßte ihn Nate, als er ihm die Tür öffnete. „Kaffee?“
„Gern. Ich will mit dir über Streak reden, bevor du mit der Arbeit loslegst.“
„Komm rein. Nimm dir eine Tasse. Hast du Hunger?“
Um ehrlich zu sein, ja. Er hatte Hunger. Später würde er sich mal zwei Stunden freischaufeln müssen, um rasch nach Fortuna zu fahren und sich ein paar Sachen für sein Quartier zu besorgen, damit er für den größten Teil seiner Mahlzeiten selbst sorgen konnte. Dabei ging es ihm nicht nur darum, dass sie sich nicht verpflichtet fühlen sollten, ständig seine Versorgung zu übernehmen. Sie waren ein relativ frisches Paar, das die Hochzeitplante. Ein drittes Rad, das ihnen permanent in die Quere kam, konnten sie wirklich nicht gebrauchen. Deshalb sagte er: „Nein, danke. Nicht nötig. Also Streak scheint gesund zu sein, aber ich glaube, dass der Junge ein emotionales Problem hat. Ich würde Folgendes empfehlen: Erstens, ich muss mich mal mit dem Vorbesitzer oder Trainer unterhalten. Ich weiß, er oder sie war nicht verpflichtet, der Käuferin außer dem Stammbaum alles offenzulegen, aber vielleicht sind sie bereit, mit mir zu reden. Wenn ich weiß, was dem Pferd zugestoßen ist, habe ich eventuell ein paar Ideen. Zweitens, sag Miss Norton bitte, dass sie das Pferd mindestens eine Woche lang nicht besuchen soll, dann sehen wir weiter. Ich glaube, dass Streak Vertrauen entwickelt, und ich möchte, dass er sich auf mich konzentriert. Und drittens werden wir eine Nachtlampe brauchen…“
„Eine Nachtlampe?“, echote Nathaniel. „Was ist letzte Nacht passiert?“
„Angst vor der Dunkelheit“, erklärte Clay schulterzuckend. „Ich glaube, das Pferd hatte irgendeinen Unfall. Natürlich hätten die Untersuchungen und
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