Das Glück wartet in Virgin River
konterte Clay. „Bist du schon so lange mitNathaniel zusammen, dass euch nichts mehr einfällt, worüber ihr euch beim Abendessen allein unterhalten könnt?“
„Oh, jetzt aber raus hier!“, rief sie lachend.
Im zweiten Jahr am College hatte Lilly Yoga für sich entdeckt. Es hielt sie flexibel, fit und heiter. Nachdem sie das College abgeschlossen hatte, fand sie heraus, dass im Gemeindehaus mehrere Yoga- und Pilateskurse angeboten wurden. Das war nicht allzu weit von ihrem Haus entfernt, und so schaffte sie es, wenigstens dreimal in der Woche daran teilzunehmen. Später hatte sie ganz in der Nähe ein abgefahrenes, ganz in Türkis gestrichenes kleines Café entdeckt, das in einer alten Ladenfront auffiel wie ein bunter Hund. Wenn sie es schaffte, den Kurs am späten Vormittag zu besuchen, ging sie hinterher zum Lunch ins „Loving Cup“ und bestellte sich grünen Tee, ein Croissant mit Avocado, Tomate, Sprossen und fein geschnittenen Zucchinischeibchen oder ähnliche vegetarische Leckerbissen. Beim Essen plauderte sie mit Dane, dem das Café zum Teil gehörte und der mittlerweile ihr engster Freund geworden war.
Jedes Mal freute sie sich genauso darauf, Dane zu treffen, wie auf ihren Tee mit dem Sandwich. In den Jahren, die sie nun schon hierherkam, hatten sie sich hin und wieder zum Abendessen oder Kino verabredet und sogar mal eine kleine Spritztour entlang der Küste gemacht. Dane war für Lilly das, was einem Lover am nächsten kam. Und selbst wenn er als solcher völlig außer Frage stand, gab er doch einen fantastischen besten Freund ab. In den letzten Jahren hatte Lilly zwar das eine oder andere Date mit anderen Männern gehabt, aber es war nie etwas Ernstes, und sie zog es vor, ihre Zeit mit Dane zu verbringen.
Sie konnte es kaum erwarten, ihm davon zu erzählen, wie sie das Pferd gefunden hatte und schon jetzt sehen konnte, dass es ihm besser ging. Und dann die Sache mit dem Hengstfohlen, das dort in Pension war. Aber Dane war kein Pferdemensch. „Hab noch nie auf einem gesessen, nein, danke. Und ich hatte auch noch nie das Bedürfnis“, sagte er. „Ich bin eher ein Katzenmensch.“
„Du solltest mal mitkommen und mit mir ausreiten“, erwiderte Lilly. „Ich komme ja selbst nur selten dazu, aber ich weiß genug, um dir ein wirklich sanftes Pferd aussuchen zu können. Und ich wäre die ganze Zeit dabei, um dich zu beschützen.“ Sie grinste ihn an.
„Lass uns unsere Zeit nicht verschwenden. Es interessiert mich nicht. Aber ich höre dir gern zu, wenn du mir diese ganzen Pferdegeschichten erzählst. Dann fangen deine Augen an zu strahlen.“
„Du müsstest mal den neuen Mann in der Praxis sehen. Ein Navajo mit Haaren, die ihm bis zum Hintern reichen. Dann diese hohen Wangenknochen. Und dieser grimmige Blick. Wenn er mit dem Hengst im Longierzirkel arbeitet, hast du das Gefühl, als würde er ihn irgendwie hypnotisieren. Er ist absolut konzentriert auf das Pferd. Und wenn das Fohlen ausschlägt oder ausbrechen will…“
„Also, was denn nun, Hengst oder Fohlen?“
„Ein sehr ausgewachsenes, aber noch nicht eingerittenes Hengstfohlen. Ein großes zweijähriges Männchen. Ein Hengst, und das bedeutet, dass er nicht kastriert ist. Ein mehr als fünfhundert Kilogramm schweres Pferd mit sehr hohen und sehr kräftigen Beinen. Und eigensinnig bis zum geht nicht mehr.“
Dane pfiff durch die Zähne. „Du verstehst, wenn ich an ein Fohlen denke, habe ich ein süßes kleines Ding vor Augen, ungefähr so groß wie ein Schaukelpferd. Aber das klingt ja nun gar nicht nach niedlich.“
Lilly lachte. „Wenn dem Kerl dein Gesicht nicht gefällt, kann es sein, dass er dich binnen einer Sekunde in den Boden stampft, und zwar ohne das geringste Bedauern. Aber Clay – das ist der neue Veterinärassistent – lässt er nah an sich heran, und wenn der Kleine mal bockt, sehen sie sich nur eine Sekunde lang in die Augen, und sofort beruhigt er sich wieder und sie können weitermachen. Clay streichelt ihn oder spricht nur dann mit ihm, wenn er sich wirklich gut benimmt. Es ist richtig cool, das zu beobachten. Der Mann hat eine phänomenale Kontrolle über das Tier und scheint es zu durchschauen. Sie kommunizieren miteinander.“
Dane legte den Kopf zur Seite. „Du bist dir aber schon sicher, dass es die Pferde sind, die dich interessieren? Für mich hört sich das ganz so an, als hätte der Mann irgendwelche wilden mystischen Fähigkeiten …“
„Die amerikanischen Ureinwohner wissen es gar nicht zu
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