Das Glück wartet in Virgin River
gemacht, danke.“
„Alles klar“, sagte Gabe und fegte den letzten Rest Schmutz und Heu aus der Stalltür. „Bis gleich also.“ Er nahm seinen Hut vom Haken neben der Tür, setzte ihn auf und tippte kurz an den Rand. „Hat mich gefreut, Sie zu sehen, Miss Yazhi.“
„Nenn mich bitte Lilly. Ich habe mich auch gefreut, dich zu sehen. Es war nett, äh … mit dir zu reden.“
„Finde ich auch. Machen Sie’s gut!“
Im nächsten Moment war er verschwunden, und kurz darauf hörte sie nur noch den Motor seines kleinen grünen Trucks.
Schweigend zog Lilly die Füße auf die Bank, legte die Arme um die Knie und sah Clay neugierig dabei zu, wie er seiner Arbeit nachging. Er holte Streak aus seiner Box, sicherte ihn, nahm ihmden Sattel und die Decke ab und ohne ein Wort zu sagen fing er an, ihn abzubürsten. Streak musste klar sein, dass er sauer war. Für Lilly war es jedenfalls offensichtlich. Sie hatte ihm schon vorher beim Striegeln zugeschaut, und normalerweise redete Clay dabei in einem leisen, besänftigenden Tonfall mit ihm, unterbrach sich hin und wieder, um Streak liebevoll zu streicheln und ihn dafür zu belohnen, dass er sich bürsten ließ. Aber diesmal war es eine sehr ernste Sache.
Lilly sagte nichts und stellte ihm auch keine Fragen, obwohl sie es gern getan hätte. Woher wusste er, dass das Pferd diese subtilen Signale richtig auffasste? Und wie konnte er erwarten, damit eine dauerhafte Wirkung zu erzielen? Aber sie sah dem Geschehen nur zu, das länger als eine halbe Stunde andauerte. Als Clay schließlich fertig war, blickte er Streak in die großen schönen braunen Augen und drohte ihm: „Mach das noch einmal mit mir, und du bist Hundefutter.“ Dann fütterte er ihn und streichelte ihn sparsam.
Er vergab ihm.
Anschließend drehte er sich um und hinkte aus dem Stall.
Natürlich wusste Lilly, dass er zurückkommen würde. Er musste Streaks Futtereimer wegstellen, ihm Wasser geben und ihn auch noch eine Weile rauslassen. So dauerte es auch nur einen kurzen Augenblick, bis er mit seiner Eispackung in der Hand wieder auftauchte. Er suchte sich einen Platz direkt ihr gegenüber, setzte sich dort auf den Boden, lehnte sich an die Wand und packte das Eis auf sein linkes Knie.
Erst dann schaute er zu Lilly hinüber, und als wäre heute nichts gewesen, fragte er sie freundlich: „Du hattest also ein gutes Gespräch mit Gabe?“
Fast wäre sie erschrocken zusammengezuckt. Darüber hatten sie doch bereits gesprochen, oder? Sie lachte leicht verärgert. „Du warst vorhin eine Weile ganz schön beängstigend. Ich muss zugeben, dass mich das etwas misstrauisch gemacht hat. Gehst du öfter mit Frauen so um?“
„Guter Gott, nein“, erwiderte er. „Ich habe gelernt, die beste Art, mit Frauen klarzukommen, ist, ihnen aufmerksam zuzuhörenund sich genau an ihre Anweisungen zu halten. Das hier“, er wies mit dem Kinn auf Streak, „ist mal wirklich ein Dickschädel.“
„Schimpft ein Esel das andere Langohr …“
„Du hast dich also gut mit Gabe unterhalten?“, wiederholte er seine Frage.
„Das hatte ich dir doch gesagt. Er hat mir erzählt, wie du ihn davor bewahrt hast, adoptiert zu werden, wie er von seinen Großeltern und anderen Familienmitgliedern erzogen wurde.“
„Ja, ich entschuldige mich. Du hast es mir erzählt.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte nicht richtig zugehört. Ich war wütend, und mein Bein tat mir weh. Manchmal kann ich etwas zu konzentriert sein. Oder sollte ich lieber sagen un konzentriert? Es wird nicht wieder vorkommen.“
„Kann ich dich etwas fragen? Du bist absolut nicht verpflichtet, mir …“
„Frag mich“, unterbrach er sie.
„Wie war es für dich, als du mit siebzehn herausgefunden hast, dass deine Freundin schwanger ist?“
„Mit sechzehn. Sie hatte mit mir Schluss gemacht, und ich konnte das nicht begreifen, weil es so schön gewesen war. Ich schätze, kein Junge begreift das, denn in diesem Alter haben junge Männer große Probleme mit ihrem Selbstvertrauen. Monate verstrichen, und ich kam einfach nicht darüber hinweg. Dann konnte ich die Spannung nicht länger ertragen und bin zu ihr gegangen, um sie zu fragen. Ich wollte von ihr verlangen, dass sie mir sagt, was an mir nicht stimmt. Als ich sie dann traf, war sie im sechsten Monat schwanger. Und es ging ihr gar nicht gut. Sie wirkte abgemagert und krank, nichts von pummelig und roten Wangen, wie es bei einer schwangeren Frau normal wäre. Es war offensichtlich, dass sie viel mehr
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