Das goldene Meer
Vietnam?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber auf jeden Fall im nächsten Jahr.«
Am nächsten Tag aber schrieb eine Hamburger Zeitung:
Etwa 5.000 Hamburger und etliche Vietnamesen erwarteten das Flüchtlingsschiff …
Es hätte heißen müssen: Etwa 2.000 Vietnamesen und etliche Hamburger erwarteten …
Und den Jubel der wartenden Landsleute, den Gesang, die Fähnchen, die Tänze kommentierte die Zeitung:
Für Asylbewerber, die in Hamburg zum Teil seit Jahren auf ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge warten, mußte das Schauspiel wie ein Schlag ins Gesicht wirken.
So etwas liest man gern am Frühstückstisch.
Aber 1.269 Menschen waren aus Todesnot gerettet worden. Vor dem Ertrinken, vor dem Verdorren in der Sonne, vor den Piraten. Nur das zählt. Nichts, aber auch gar nichts anderes!
An einem trüben Augusttag lief von Bremerhaven das neue Schiff des ›Komitees Rettet die Verfolgten‹ aus. Ein schönes, weißes Schiff, umgebaut zum Lazarettschiff, unter Deck genug Wohnraum für 500 Personen. Nur zwei ›Alte‹ waren an Bord: Herbert v. Starkenburg und Chief Julius Kranzenberger. Hörlein und Hess waren schon nach Singapur vorausgeflogen, um die Verbindungsstation zwischen Schiff und Köln wieder einzurichten. Und wie bei der Ankunft der Liberty of Sea war auch beim Ablegen der Anneliese Burg bach kein Offizier am Kai, kein Minister, kein Parteienvertreter, kein Abgesandter der Kirchen, niemand. Ganz still warf die Anneliese Burgbach die Leinen los und schob sich aus dem Hafen.
Nur drei Menschen standen am Kai und winkten dem davongleitenden Schiff nach: Franz Stellinger, Inhaber eines Schiffsausstattungsgeschäfts, und Kim, seine hübsche, junge Frau, und Fred Xuong Stellinger, ihr zwei Monate alter Sohn. Er war in einen dicken Schal gewickelt, und Kim hielt den Kleinen hoch und zeigte ihm das Schiff.
»Du wärst gerne wieder mitgefahren, nicht wahr Toam?« fragte Kim.
Stellinger nickte. Ein Würgen in der Kehle machte ihm zu schaffen.
»Ja«, sagte er endlich, »aber nur mit dir und Fred.«
»Das nächstemal, Toam.« Sie trat bis nahe an die Kaimauer heran und winkte dem Schiff nach. »Grüßt mein Land!« rief sie mit ihrer hellen Stimme. »Ich bin glücklich, so glücklich, aber ich möchte noch einmal durch unsere Reisfelder gehen …«
Es war ein trüber Tag, und schnell verschwand das Schiff im Nebel.
Das goldene Meer lag vor ihm.
Nachbemerkung
Sie haben einen Roman gelesen, in dem Tatsachen und Fiktion miteinander verwoben sind. Ich war selbst zweimal im Südchinesischen Meer, ich kenne Singapur, Thailand, Manila und Hongkong.
Fakten und Zahlen habe ich dem Buch ›Exodus aus Vietnam‹ von Rupert Neudeck, Zeitungsberichten und Interviews entnommen. Dr. Rupert Neudeck ist Vorsitzender des ›Komitees CAP ANAMUR/Deutsche Not-Ärzte e. V.‹ in 5210 Troisdorf bei Köln, Kupferstraße 7.
Die Fahrten der Rettungsschiffe CAP ANAMUR I und CAP ANAMUR II waren Anregung zu diesem Roman – mit den Geschehnissen auf der Liberty of Sea haben sie nichts gemeinsam außer der Tatsache, daß sie bisher mehr als zehntausend Vietnam-Flüchtlinge vor dem sicheren Tod gerettet haben.
Wer mithelfen will, das Schicksal dieser Boatpeople zu lindern, kann seinen Beitrag leisten. Die Bankverbindung des Komitees:
Stadtsparkasse Köln,
Kontonummer 2 222 222,
Bankleitzahl 370 501 98.
Allen Lesern meinen herzlichen Dank.
H.G.K.
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