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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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alten Spritfresser.«
    Hayden tat den Kommentar mit einer wegwerfenden Geste ab. »Nicht wirklich.« Er wich beiseite, um Nathan mit seinen Koffern eintreten zu lassen. »Seit vier Jahren nicht mehr, Nate – seit ich den Führerschein abgeben musste. Die Behörden hatten wohl zu große Angst, ich könnte eine Gruppe Schulkinder über den Haufen fahren oder dergleichen. Marcus O‘Connor nimmt ihn einmal die Woche für eine kurze Ausfahrt, um sicherzustellen, dass er noch läuft, Gott segne ihn. Der Parkplatz – und der Spritfresser – gehören jetzt dir«, meinte er mit einem verschmitzten Grinsen, als er die Tür schloss. Nathan lächelte zurück. Der Pastor hatte es von jeher genossen, Kindern Respekt einzuflößen, indem er ein barsches Auftreten an den Tag legte, aus dem sprach: Leg dich mit mir an und du legst dich mit Gott an . Als sein augenscheinlicher Nachfolger – zumindest klebte an der Tür kein Zettel mit der Aufschrift »Aprilscherz!«, wie Nathan erleichtert festgestellt hatte – fand er diese Haltung nunmehr belustigend.
    »Worüber lächelst du, Dinneck?«
    Nathans Grinsen verpuffte. »Über nichts. Über gar nichts, Sir«, stammelte er. »Tut mir Leid. Es ist nur schön, wieder –«
    Aber Hayden schnitt ihm mit einer weiteren Geste der dünnen Hand das Wort ab, die er diesmal mit einem breiten Lächeln begleitete, bei dem er leicht gelbliche Zähne entblößte. Aus der Miene sprach Herzlichkeit.
    »Mir tut es Leid, Pastor Dinneck«, sagte er, klopfte ihm auf die Schulter und ging voraus. »Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen«, fügte er hinzu und hustete, womit er für Nathans Empfinden ein Lachen zu verbergen versuchte. »Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen sollen.« Diesmal lachte er unverhohlen, und Nathan stimmte mit ein, wenngleich etwas zurückhaltender. Alte Gewohnheiten , dachte er.

Kapitel Drei
    Vincent Tarretti lehnte sich auf seinem abgewetzten Sessel zurück. Im Verlauf der Jahre hatte er sich zu einem Gewohnheitstier entwickelt, das jeden Abend vor dem Zubettgehen derselben Routine folgte. Trotz der vereinzelten Risse im Vinylbezug empfand er den Sessel als gemütlich, zumal er sich längst an Tarrettis Form angepasst hatte. Johnson lag auf dem kleinen Läufer vor ihm. Der große, schwarze Labrador schien rundum glücklich mit den allabendlichen Gewohnheiten seines Herrchens. Vincent streichelte mit den bestrumpften Füßen behutsam über den Rücken des Hundes. Johnson wedelte wohlig mit dem Schwanz und streckte sich mit geschlossenen Augen, halb schlafend.
    Die spätabendliche Brise wehte den Geruch des am Vormittag gemähten Grases durch das Insektenschutzgitter herein. Wie immer erinnerte ihn der Duft an die Kindheit, die er vor sechsundzwanzig Jahren hinter sich gelassen hatte, um ein Leben mit Melissa anzufangen, bis ihm selbst das entrissen worden war, bevor es richtig hatte beginnen können. Seit zweieinhalb Jahrzehnten fristete Vincent Tarretti dieses stille, einfache Ersatzdasein. Indem er in den warmen Monaten den Friedhofsrasen mähte und im Winter den Schnee von den Gehwegen schaufelte oder rechteckige Fleckchen Erde auftaute, um die Verstorbenen zu begraben. Sein Zuhause setzte sich nunmehr aus dem Hillcrest Memorial, dem Friedhof an der Greenwood Street sowie zwei kleineren, wesentlich älteren, über die Ortschaft verteilten Friedhöfen zusammen.
    Vincent blickte zur Bibel auf seinem Schoß hinab und dachte über den Abschnitt nach, den er soeben gelesen hatte. Er schlug das Buch gerne an einer willkürlichen Stelle auf und las, was immer er dort vorfand.
    In jener Nacht war sie mitten im Neuen Testament aufgeblättert; bei der verhängnisvollen Rede des Erzmärtyrers Stephanus vor dem Hohen Rat, in der er über das Tabernakel sprach, die Bundeslade, die das Gesetz des Moses und die Tafeln mit den zehn Geboten beherbergte. Sie befand sich in einem von David geplanten, aber von dessen Sohn Salomon errichteten Tempel. Derselbe Salomon, so erklärte Stephanus, hatte später in seinem Leben dem einzig wahren Gott entsagt, um den heimischen Dämonen jener Zeit zu huldigen, den Betrügern.
    Dies war das zweite Mal an jenem Tag, dass Vincent sich fragte, ob Gottes Plan für ihn einen anderen Kurs einzuschlagen begann. Der erste Auslöser war den Anruf von Ralph Hayden gewesen, bei dem ihm der Pastor mitgeteilt hatte, dass er morgen Nachmittag mit seinem Nachfolger Nathan Dinneck vorbeikommen würde.
    Vincent wusste nicht, ob Dinnecks Ankunft mit seiner

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