Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
ein verlornes Pferd: die Armen aber lebten vergnügt, still und fromm bis an ihr seliges Ende.
Das singende springende Löweneckerchen
Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Töchter, was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die älteste Perlen, die zweite wollte Diamanten, die dritte aber sprach „lieber Vater, ich wünsche mir ein singendes springendes Löweneckerchen (Lerche).“
Der Vater sagte „ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben“, küsste alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, dass er wieder auf dem Heimweg war, so hatte er Perlen und Diamanten für die zwei ältesten gekauft, aber das singende springende Löweneckerchen für die jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das tat ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da führte ihn der Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein prächtiges Schloss, und nah am Schloss stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löweneckerchen singen und springen. „Ei, du kommst mir gerade recht“, sagte er ganz vergnügt und rief seinem Diener, er sollte hinauf steigen und das Tierchen fangen. Wie er aber zu dem Baum trat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, dass das Laub an den Bäumen zitterte. „Wer mir mein singendes springendes Löweneckerchen stehlen will“, rief er, „den fresse ich auf.“
Da sagte der Mann „ich habe nicht gewusst, dass der Vogel dir gehört: ich will mein Unrecht wieder gut machen, und mich mit schwerem Golde loskaufen, lass mir nur das Leben.“ Der Löwe sprach „dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet willst du das aber tun, so schenke ich dir das Leben und den Vogel für deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber weigerte sich und sprach „das könnte meine jüngste Tochter sein, die hat mich am liebsten und läuft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war Angst und er sagte „muss euch denn gerade eure Tochter begegnen, es könnte ja auch eine Katze oder ein Hund sein.“ Da ließ sich der Mann überreden, nahm das singende springende Löweneckerchen und versprach dem Löwen zu eigen was ihm daheim zuerst begegnen würde.
Wie er daheim anlangte und in sein Haus eintrat, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders als seine jüngste liebste Tochter: die kam gelaufen, küsste und herzte ihn, und als sie sah, dass er ein singendes springendes Löweneckerchen mitgebracht hatte, war sie außer sich vor Freude. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte „mein liebstes Kind, den kleinen Vogel habe ich teuer gekauft, ich habe dich dafür einem wilden Löwen versprechen müssen, und wenn er dich hat, wird er dich zerreißen und fressen“ und erzählte ihr da alles, wie es zugegangen war, und bat sie nicht hin zu gehen, es möchte auch kommen was da wollte. Sie tröstete ihn aber und sprach „liebster Vater, was ihr versprochen habt, muss auch gehalten werden: ich will hingehen und will den Löwen schon besänftigen, dass ich wieder gesund zu euch komme.“
Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied und ging getrost in den Wald hinein. Der Löwe aber war ein verzauberter Königssohn, und war bei Tag ein Löwe, und mit ihm wurden alle seine Leute Löwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natürliche menschliche Gestalt. Bei ihrer Ankunft ward sie freundlich empfangen und in das Schloss geführt. Als die Nacht kam, war er ein schöner Mann und die Hochzeit ward mit Pracht gefeiert. Sie lebten vergnügt mit einander, wachten in der Nacht und schliefen am Tag.
Zu einer Zeit kam er und sagte „morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine älteste Schwester sich verheiratet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Löwen hinführen.“ Da sagte sie ja, sie möchte gern ihren Vater wiedersehen, fuhr hin und ward von den Löwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt, sie wäre von dem Löwen zerrissen worden und schon lange nicht mehr am Leben. Sie erzählte aber, was sie für einen schönen Mann hätte und wie gut es ihr ginge, und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zurück in den Wald.
Wie die zweite Tochter heiratete und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Löwen „diesmal will ich nicht allein sein, du musst mitgehen.“ Der Löwe
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