Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
die helfen konnten, saßen ihnen die Raben auf den Köpfen, und hackten ihnen die Augen aus, und hackten weiter so lange ins Gesicht, bis sie ganz tot waren. Da blieben sie liegen unter dem Galgen. Als sie nun ein paar Tage nicht wieder kamen, dachte ihr ehemaliger Kamerad „wo mögen die zwei herumirren“ und ging hinaus sie zu suchen. Da fand er aber nichts mehr, als ihre Gebeine, die trug er vom Galgen weg, und legte sie in ein Grab.
Die beiden Wanderer
Berg und Tal begegnen sich nicht, wohl aber die Menschenkinder, zumal gute und böse. So kam auch einmal ein Schuster und ein Schneider auf der Wanderschaft zusammen. Der Schneider war ein kleiner hübscher Kerl und war immer lustig und guter Dinge. Er sah den Schuster von der andern Seite heran kommen, und da er an seinem Felleisen merkte was er für ein Handwerk trieb, rief er ihm ein Spottliedchen zu,
„nähe mir die Naht,
ziehe mir den Draht,
streich ihn rechts und links mit Pech,
schlag, schlag mir fest den Zweck.“
Der Schuster aber konnte keinen Spaß vertragen, er verzog ein Gesicht, als wenn er Essig getrunken hätte, und machte Miene das Schneiderlein am Kragen zu packen. Der kleine Kerl fing aber an zu lachen, reichte ihm seine Flasche und sprach „es ist nicht bös gemeint, trink einmal und schluck die Galle hinunter.“ Der Schuster tat einen gewaltigen Schluck, und das Gewitter auf seinem Gesicht fing an sich zu verziehen. Er gab dem Schneider die Flasche zurück und sprach „ich habe ihr ordentlich zugesprochen, man sagt wohl vom vielen Trinken aber nicht vom großen Durst. Wollen wir zusammen wandern?“ „Mir ists recht“, antwortete der Schneider, „wenn du nur Lust hast in eine große Stadt zu gehen, wo es nicht an Arbeit fehlt.“ „Gerade dahin wollte ich auch“, antwortete der Schuster, „in einem kleinen Nest ist nichts zu verdienen, und auf dem Lande gehen die Leute lieber barfuß.“ Sie wanderten also zusammen weiter und setzten immer einen Fuß vor den andern wie die Wiesel im Schnee.
Zeit genug hatten sie beide, aber wenig zu beißen und zu brechen. Wenn sie in eine Stadt kamen, so gingen sie umher und grüßten das Handwerk, und weil das Schneiderlein so frisch und munter aussah und so hübsche rote Backen hatte, so gab ihm jeder gerne, und wenn das Glück gut war, so gab ihm die Meistertochter unter der Haustüre auch noch einen Kuss auf den Weg. Wenn er mit dem Schuster wieder zusammen traf, so hatte er immer mehr in seinem Bündel. Der griesgrämige Schuster schnitt ein schiefes Gesicht und meinte „je größer der Schelm, je größer das Glück.“ Aber der Schneider fing an zu lachen und zu singen, und teilte alles, was er bekam, mit seinem Kameraden. Klingelten nun ein paar Groschen in seiner Tasche, so ließ er auftragen, schlug vor Freude auf den Tisch dass die Gläser tanzten, und es hieß bei ihm „leicht verdient und leicht vertan“.
Als sie eine Zeitlang gewandert waren, kamen sie an einen großen Wald, durch welchen der Weg nach der Königsstadt ging. Es führten aber zwei Fußsteige hindurch, davon war der eine sieben Tage lang, der andere nur zwei Tage, aber niemand von ihnen wusste, welcher der kürzere Weg war. Die zwei Wanderer setzten sich unter einen Eichenbaum und ratschlagten wie sie sich vorsehen und für wie viel Tage sie Brot mitnehmen wollten. Der Schuster sagte „man muss weiter denken als man geht, ich will für sieben Tage Brot mit nehmen.“ „Was“, sagte der Schneider, „für sieben Tage Brot auf dem Rücken schleppen wie ein Lastter und sich nicht umschauen? Ich halte mich an Gott und kehre mich an nichts. Das Geld, das ich in der Tasche habe, das ist im Sommer so gut als im Winter, aber das Brot wird in der heißen Zeit trocken und obendrein schimmelig. Mein Rock geht auch nicht länger als auf die Knöchel. Warum sollen wir den richtigen Weg nicht finden? Für zwei Tage Brot und damit gut.“ Es kaufte sich also ein jeder sein Brot, und dann gingen sie auf gut Glück in den Wald hinein.
In dem Wald war es so still wie in einer Kirche. Kein Wind wehte, kein Bach rauschte, kein Vogel sang, und durch die dichtbelaubten Äste drang kein Sonnenstrahl. Der Schuster sprach kein Wort, ihn drückte das schwere Brot auf dem Rücken, dass ihm der Schweiß über sein verdrießliches und finsteres Gesicht herabfloss. Der Schneider aber war ganz munter, sprang daher, pfiff auf einem Blatt oder sang ein Liedchen, und dachte „Gott im Himmel muss sich freuen dass ich so lustig
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