0178 - Der grüne Dschinn
»Bist du noch dran, Oberinspektor?«
»Ja, natürlich.«
»Hast du mich verstanden? Der grüne Dschinn.«
»Klar, mein unbekannter Freund, ich habe verstanden. Aber ich hätte gern mehr gewußt.«
»Das sage ich dir später.«
»Und wann?«
»Komm in Kemal’s Kaffeehaus, du findest es in Soho. Setze dich dort an einen Tisch und warte. Aber laß dir nichts anmerken. Seine Spione sind überall, und der Grüne ist sehr gefährlich, Oberinspektor. Hast du verstanden?«
»Klar. Wann soll ich kommen?«
»Sofort. Aber warte.« Damit hatte er aufgelegt.
Es war kurz vor Feierabend gewesen, als mich der Anruf erreichte.
Glenda Perkins, meine Sekretärin, war mit irgendwelchen Akten unterwegs, und so legte ich ihr einen Zettel hin. Allerdings sagte ich Suko vorher Bescheid. Er sah das ganze als Falle an, ich eigentlich auch, aber hingehen wollte ich trotzdem. Diesen Begriff »grüner Dschinn« saugte sich meiner Ansicht nach niemand aus den Fingern.
Der Anrufer hatte verlangt, daß ich allein kam. Ich würde mich daran halten und mich allein in das Kaffeehaus setzen. Suko sollte draußen warten und mir Rückendeckung geben.
Seit einer geschlagenen halben Stunde hockte ich nun in dieser Miefbude. Ein anderer Vergleich fiel mir für dieses Lokal wirklich nicht ein.
Es war nicht nur proppenvoll, sondern auch so mit Rauch und Qualm gefüllt, daß ich die Gäste nur schemenhaft erkennen konnte. Und sie mich auch. Vielleicht war das gut so, denn hier verkehrten nur Türken.
Ich kam mir wirklich vor wie ein Äquator-Neger am Nordpol. Die Umgebung war völlig fremd für mich, orientalisch eben, obwohl nur ein paar Schritte weiter sich der Touristenstrom durch die engen Straßen von Soho schob.
Die Tische waren sehr klein und quadratisch. Sie paßten gut zu den Stühlen mit den schmalen Sitzflächen. Jeder freie Platz in dem Lokal war ausgenutzt worden. In Sitzhöhe waren Bänke an die Wände genagelt worden, damit noch mehr Gäste Platz hatten.
Hier rauchten alle. Wenn es nicht die Wasserpfeife war, dann Zigaretten, deren Tabake selbstverständlich aus dem Orient stammten und dementsprechend rochen. Jeder redete hier mit jedem. Das Stimmengewirr war wirklich sagenhaft, und ich fragte mich, ob der eine seinen Nachbarn überhaupt verstand.
Das alles hätte ich mir noch gefallen lassen, wenn nicht zu allem Überfluß noch die Musik hinzugekommen wäre. Die wirkte auf mein Trommelfell wie eine Säge. Wenn ich hier wieder raus kam, war ich sicherlich gehörgeschädigt.
Mit Vorurteilen hatte das nichts zu tun, aber türkische Musik ist wohl nur für die wenigsten europäischen Ohren bestimmt. Zudem gefiel mir mein Platz nicht. Wenn ich schon in solche Lokale ging, dann setzte ich mich gern mit dem Rücken zur Wand und in die Nähe der Tür. Das war hier nicht zu machen gewesen. Ich mußte ganz durch und konnte links der Theke Platz nehmen, wo ein freier Tisch mit zwei Stühlen davor gestanden hatte. Als hätte man ihn bewußt für mich freigehalten. Hinter mir befand sich ein Vorhang. Er hing von der Decke herab, stank nach Gewürzen, Rauch und Kaffee und verwehrte mir den Blick auf das, was jenseits des Vorhangs lag.
Dafür befand sich ein Ventilator an der Decke. Er drehte sich nur müde und war beklebt mit Fliegendreck, denn man hatte die drei Flügel mit irgendeinem Zeug beschmiert, das die Fliegen anzog, sie dann jedoch nicht mehr wegließ. Jetzt waren die Flügel schwarz.
Ich hatte Mokka bestellt und die Tasse geleert. Eine Zigarette rauchte ich nicht. Was ich von den anderen mitrauchen mußte, das reichte mir.
Hin und wieder wurde die Tür geöffnet. Zwischen ihr und dem Lokal befand sich ein Vorhang. Wenn ich ihn auch noch zur Seite schob, drang frische Luft in das Kaffeehaus und quirlte einen geringen Teil des Rauches durcheinander, so daß ich für wenige Sekunden die ansonsten vernebelten Gesichter der Gäste erkennen konnte.
Als ein Schatten über meinen Tisch fiel, schaute ich auf. Ich rechnete damit, den unbekannten Anrufer zu Gesicht zu bekommen, sah mich allerdings getäuscht, denn nur der Wirt stand neben mir.
Er war ein Bär von Mann. Eine spiegelblanke Glatze und ein buschiger Schnäuzer waren seine Markenzeichen. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Unter dem Stoff sah ich das Spiel seiner Muskeln.
Ich war sicher, daß er mal als Ringer sein Brot verdient hatte.
Ein Zeigefinger mit Trauerrand unter dem Nagel deutete auf meine leere kleine Tasse. »Noch einen Mokka?«
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