Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
ihn das Gewissen. „Ehe er Rache an mir nimmt“, dachte er bei sich selbst, „muss ich ihm eine Grube graben.“ Wer aber andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Abends, als er Feierabend gemacht hatte, und es dämmerig geworden war, schlich er sich zu dem König und sagte „Herr König, der Schneider ist ein übermütiger Mensch, und hat sich vermessen er wollte die goldene Krone wieder herbei schaffen, die vor alten Zeiten ist verloren gegangen.“ „Das sollte mir lieb sein“ sprach der König, ließ den Schneider am andern Morgen vor sich fordern und befahl ihm die Krone wieder herbeizuschaffen, oder für immer die Stadt zu verlassen. „Oho,“ dachte der Schneider, „ein Schelm gibt mehr als er hat. Wenn der murrköpfige König von mir verlangt was kein Mensch leisten kann, so will ich nicht warten bis morgen, sondern gleich heute wieder zur Stadt hinaus wandern.“
Er schnürte also sein Bündel, als er aber aus dem Tor heraus war, so tat es ihm doch leid dass er sein Glück aufgeben und die Stadt, in der es ihm so wohl gegangen war, mit dem Rücken ansehen sollte. Er kam zu dem Teich, wo er mit den Enten Bekanntschaft gemacht hatte, da saß gerade die Alte, der er ihre Jungen gelassen hatte, am Ufer und putzte sich mit dem Schnabel. Sie erkannte ihn gleich, und fragte warum er den Kopf so hängen lasse. „Du wirst dich nicht wundern, wenn du hörst was mir begegnet ist“ antwortete der Schneider und erzählte ihr sein Schicksal. „Wenns weiter nichts ist,“ sagte die Ente, „da können wir Rat schaffen. Die Krone ist ins Wasser gefallen und liegt unten auf dem Grund, wie bald haben wir sie wieder heraufgeholt. Breite nur derweil dein Taschentuch ans Ufer aus.“ Sie tauchte mit ihren zwölf Jungen unter, und nach fünf Minuten war sie wieder oben und saß mitten in der Krone, die auf ihren Fittigen ruhte, und die zwölf Jungen schwammen rund herum, hatten ihre Schnäbel untergelegt und halfen tragen. Sie schwammen ans Land und legten die Krone auf das Tuch. Du glaubst nicht wie prächtig die Krone war, wenn die Sonne darauf schien, so glänzte sie wie hunderttausend Karfunkelsteine. Der Schneider band sein Tuch mit den vier Zipfeln zusammen und trug sie zum König, der in einer Freude war und dem Schneider eine goldene Kette um den Hals hing.
Als der Schuster sah dass der eine Streich misslungen war, so besann er sich auf einen zweiten, trat vor den König und sprach „Herr König, der Schneider ist wieder so übermütig geworden, er vermisst sich das ganze königliche Schloss mit allem was darin ist, los und fest, innen und außen, in Wachs abzubilden.“ Der König ließ den Schneider kommen und befahl ihm das ganze königliche Schloss mit allem was darin wäre, los und fest, innen und außen, in Wachs abzubilden und wenn er es nicht zu Stande brächte, oder es fehlte nur ein Nagel an der Wand, so sollte er zeitlebens unter der Erde gefangen sitzen. Der Schneider dachte „es kommt immer ärger, das hält kein Mensch aus,“ warf sein Bündel auf den Rücken und wanderte fort.
Als er an den hohlen Baum kam, setzte er sich nieder und ließ den Kopf hängen. Die Bienen kamen heraus geflogen, und der Weisel fragte ihn ob er einen steifen Hals hätte, weil er den Kopf so schief hielt. „Ach nein,“ antwortete der Schneider, „mich drückt etwas anderes,“ und erzählte was der König von ihm gefordert hatte. Die Bienen fingen an unter einander zu summen und zu brummen, und der Weisel sprach „geh nur wieder nach Haus, komm aber Morgen um diese Zeit wieder und bring ein großes Tuch mit, so wird alles gut gehen.“ Da kehrte er wieder um, die Bienen aber flogen nach dem königlichen Schloss, geradezu in die offenen Fenster hinein, krochen in allen Ecken herum und besahen alles aufs genauste. Dann liefen sie zurück und bildeten das Schloss in Wachs nach mit einer solchen Geschwindigkeit, dass man meinte es wüchse einem vor den Augen. Schon am Abend war alles fertig, und als der Schneider am folgenden Morgen kam, so stand das ganze prächtige Gebäude da, und es fehlte kein Nagel an der Wand und keine Ziegel auf dem Dach; dabei war es zart und schneeweiß, und roch süß wie Honig. Der Schneider packte es vorsichtig in sein Tuch und brachte es dem König, der aber konnte sich nicht genug verwundern, stellte es in seinem größten Saal auf und schenkte dem Schneider dafür ein großes steinernes Haus.
Der Schuster aber ließ nicht nach, ging zum drittenmal zu dem König und
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