Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
stark. Die Mutter erzählte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch, das sie in der Höhle fand, lesen. Als Hans neun Jahr alt war, machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knüttel und versteckte ihn hinter das Bett: dann ging er zu seiner Mutter und sprach „liebe Mutter, sage mir jetzt einmal wer mein Vater ist, ich will und muss es wissen.“ Die Mutter schwieg still und wollte es ihm nicht sagen, damit er nicht das Heimweh bekäme: sie wusste auch dass die gottlosen Räuber den Hans doch nicht fortlassen würden; aber es hätte ihr fast das Herz zersprengt, dass Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen. In der Nacht, als die Räuber von ihrem Raubzug heimkehrten, holte Hans seinen Knüttel hervor, stellte sich vor den Hauptmann und sagte „jetzt will ich wissen wer mein Vater ist, und wenn du mirs nicht gleich sagst, so schlag ich dich nieder.“ Da lachte der Hauptmann und gab dem Hans eine Ohrfeige, dass er unter den Tisch kugelte. Hans machte sich wieder auf, schwieg und dachte „ich will noch ein Jahr warten und es dann noch einmal versuchen, vielleicht gehts besser.“ Als das Jahr herum war, holte er seinen Knüttel wieder hervor, wischte den Staub ab, betrachtete ihn und sprach „es ist ein tüchtiger wackerer Knüttel.“ Nachts kamen die Räuber heim, tranken Wein, einen Krug nach dem anderen, und fingen an die Köpfe zu hängen. Da holte der Hans seinen Knüttel herbei, stellte sich wieder vor den Hauptmann und fragte ihn wer sein Vater wäre. Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kräftige Ohrfeige, dass Hans unter den Tisch rollte, aber es dauerte nicht lange, so war er wieder oben und schlug mit seinem Knüttel auf den Hauptmann und die Räuber, dass sie Arme und Beine nicht mehr regen konnten. Die Mutter stand in einer Ecke und war voll Verwunderung über seine Tapferkeit und Stärke. Als Hans mit seiner Arbeit fertig war, ging er zu seiner Mutter und sagte „jetzt ist mirs Ernst gewesen, aber jetzt muss ich auch wissen wer mein Vater ist.“ „Lieber Hans,“ antwortete die Mutter, „komm wir wollen gehen und ihn suchen bis wir ihn finden.“ Sie nahm dem Hauptmann den Schlüssel zu der EingangsTüre ab, und Hans holte einen großen Mehlsack, packte Gold, Silber und was er sonst noch für schöne Sachen fand, zusammen, bis er voll war, und nahm ihn dann auf den Rücken. Sie verließen die Höhle, aber was tat Hans die Augen auf, als er aus der Finsternis heraus in das Tageslicht kam, und den grünen Wald, Blumen und Vögel und die Morgensonne am Himmel erblickte. Er stand da und staunte alles an, als wenn er nicht recht gescheidt wäre. Die Mutter suchte den Weg nach Haus, und als sie ein paar Stunden gegangen waren, so kamen sie glücklich in ihr einsames Thal und zu ihrem Häuschen. Der Vater saß unter der Türe, er weinte vor Freude als er seine Frau erkannte und hörte dass Hans sein Sohn war, die er beide längst für tot gehalten hatte. Aber Hans, obgleich erst zwölf Jahr alt, war doch einen Kopf größer als sein Vater. Sie gingen zusammen in das Stübchen, aber kaum hatte Hans seinen Sack auf die Ofenbank gesetzt, so fing das ganze Haus an zu krachen, die Bank brach ein und dann auch der Fußboden, und der schwere Sack sank in den Keller hinab. „Gott behüte uns,“ rief der Vater „was ist das? jetzt hast du unser Häuschen zerbrochen.“ „lasst euch keine graue Haare darüber wachsen, lieber Vater,“ antwortete Hans, „da in dem Sack steckt mehr als für ein neues Haus nötig ist.“ Der Vater und Hans fingen auch gleich an ein neues Haus zu bauen, Vieh zu erhandeln und Land zu kaufen und zu Wirtschaften. Hans ackerte die Felder, und wenn er hinter dem Pflug ging und ihn in die Erde hinein schob, so hatten die Stiere fast nicht nötig zu ziehen. Den nächsten Frühling sagte Hans „Vater, behaltet alles Geld und lasst mir einen zentnerschweren Spazierstab machen, damit ich in die Fremde gehen kann.“ Als der verlangte Stab fertig war, verließ er seines Vaters Haus, zog fort und kam in einen tiefen und finstern Wald. Da hörte er etwas knistern und knastern, schaute um sich und sah eine Tanne, die von unten bis oben wie ein Seil gewunden war: und wie er die Augen in die Höhe richtete, so erblickte er einen großen Kerl, der den Baum gepackt hatte und ihn wie eine Weidenruthe umdrehte. „He!“ rief Hans, „was machst du da droben?“ Der Kerl antwortete „ich habe gestern Reiswellen zusammen getragen und will mir ein Seil dazu drehen.“
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