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049 - Der Android

049 - Der Android

Titel: 049 - Der Android Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Dezember 2439, Los Angeles
    Miki Takeo wandte der Stadt den Rücken zu und blickte hinaus auf den unendlich weiten Ozean. Beinahe un- terbewusst analysierte er das Farbspektrum der Sonne, berechnete die Restlichtwerte und schloss aus diesen Beobachtungen, dass die Nacht in etwas weniger als vierundzwanzig Minuten einsetzen würde.
    »Wieso kann ich nicht einfach nur einen Sonnenuntergang sehen?«, fragte er. »Wieso muss mein Gehirn aus jeder Beobachtung einen Nutzen ziehen?« Takeo hatte vor einiger Zeit begonnen, laut mit sich selbst zu sprechen, und tat es mittlerweile in fast allen Situationen. Manchmal befürchtete er, das sei ein Anzeichen für beginnenden Wahnsinn, manchmal wusste er, das es der letzte Halt in einer Welt voller Wahnsinniger war.
    Die Wellen des Pazifik umspülten seine Füße, und er erlaubte seinem Körper für einen kurzen Moment, die Temperatur zu spüren. Das Wasser war kalt - 13,4 Grad, wie sein Gehirn gegen seinen Willen maß - , aber diese Feststellung war nicht mehr als eine Information, die keine Konsequenzen mit sich brachte. Takeo war nicht in der Lage zu frieren.
    » Plysterox «, sagte er, der Name Fluch und Segen zugleich. Hätte es diesen Kunststoff nicht gegeben, wäre er vielleicht schon längst tot, aber zumindest wäre er als Mensch gestorben. Takeo dachte an den zwei Jahre zurückliegenden Tag, als er auf dem Operationstisch aufgewacht war und das Gesicht seines Kollegen als verschwommenen Fleck über sich sah.
    »Willkommen in deinem neuen Leben«, hatte Dr. Carter gesagt.
    »Ab heute bist du kein Mensch mehr, du bist eine Festung.«
    Eine Festung, genau das war aus ihm geworden. Das Plysterox, leichter als Holz und härter als Stahl, formte seinen neuen Körper, gab ihm ein riesenhaftes, düsteres Aussehen und schützte sein elektronisch durchsetztes Gehirn, das tief in seinem Torso ruhte.
    In seiner Festung aus Kunststoff war Takeo stärker, schneller und intelligenter als jeder Mensch - und er war so gut wie unsterblich. Trotzdem dachte er mit gemischten Gefühlen an jenen Tag im Amarillo Medical Science Center zurück, denn dort hatte er auch vieles verloren: einen Sonnenuntergang zu sehen, den Geruch des Meeres zu riechen, den Wind auf seinen Armen zu spüren.
    Seine Sensoren nahmen all das wahr, aber er verband keine Gefühle mehr damit, begann zu vergessen, was er früher empfunden hatte, wenn eine Brise über seinen Körper strich. In den Momenten tiefster Verzweiflung ahnte Takeo, dass er seine Seele verloren hatte.
    Seine Gedanken wandten sich der Reise zu, die hinter ihm lag. Er hatte sich freiwillig gemeldet, um zur Ostküste aufzubrechen und nach neuen Kontakten für die Gruppe zu suchen, aber das war nicht mehr als eine Ausrede gewesen. In Wirklichkeit hatte er es in der selbst gewählten Isolation nicht mehr ausgehalten. Vierhundert Jahre lang hatte die Gemeinschaft aus Ärzten und Wissenschaftlern zusammen gelebt und Methoden entwickelt, mit denen sie Körperteile ersetzen und neue Organe züchten konnten.
    Dabei waren zwei Fraktionen entstanden. Die » Maschinenfraktion « unter dem Cyborg Carter, dessen Motto » Das Fleisch ist schwach « Takeo schließlich überzeugt hatte, und die » Transplantationsfraktion «, deren vehementeste Fürsprecherin seine Lebensgefährtin Naoki war.
    Die Fronten zwischen den beiden Gruppen hatten sich immer weiter ver- härtet, und als Takeo mit seinem neuen Körper aus dem Operationssaal getreten war, hatte er auch Naokis Liebe verloren. Er hoffte nur, dass sie sein letztes Geschenk angenommen hatte…
    In dieser unerträglichen Situation hatte er Amarillo verlassen, aber die Hoffnung auf ein neues Leben sollte sich nicht erfüllen. Sein Maschinenkörper, der auf Feinde ab- schreckend und furchteinflößend wirken sollte, funktionierte zu gut. Sobald er aus seinem Gleiter stieg, flohen die Menschen in Panik vor ihm. Manche kamen zurück, warfen Steine und schossen mit Brandpfeilen.
    Anfangs hatte Takeo mit ihnen zu reden versucht, aber nach einiger Zeit beschränkte er sich darauf, ihre Siedlungen zu überfliegen und in einsamen Gegenden zu lagern. Seine Verzweiflung war mit jedem Tag gestiegen, denn wohin er sich auch wandte, überall schien es nichts außer Leid, Gewalt und Hunger zu geben. Bis nach Florida war er gekommen, bevor er umkehrte und sich auf den Weg zur Westküste machte. Zwei Jahre, in denen er mit niemandem sprach, ein stummer Zeuge einer brutalisierten, zerstörten Welt.
    Und jetzt stand er hier, am Ende

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