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Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen

Titel: Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Grimm
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„die Creatur kann mehr als Brot essen, ich muss ihr schwerere Arbeit auflegen.“
    Am andern Morgen rief sie das Mädchen und sprach „da hast du einen Löffel, damit schöpfe mir den großen Teich aus, der bei dem Garten liegt. Und wenn du damit Abends nicht zu Rand gekommen bist, so weißt du was erfolgt.“ Das Mädchen nahm den Löffel und sah dass er durchlöchert war, und wenn er es auch nicht gewesen wäre, es hätte nimmermehr damit den Teich ausgeschöpft. Es machte sich gleich an die Arbeit, kniete am Wasser, in das seine Tränen fielen, und schöpfte. Aber die gute Alte erschien wieder, und als sie die Ursache von seinem Kummer erfuhr, sprach sie „sei getrost, mein Kind, geh in das Gebüsch und lege dich schlafen, ich will deine Arbeit schon tun.“ Als die Alte allein war, berührte sie nur den Teich: wie ein Dunst stieg das Wasser in die Höhe und vermischte sich mit den Wolken. Allmählig ward der Teich leer, und als das Mädchen vor Sonnenuntergang erwachte und herbeikam, so sah es nur noch die Fische, die in dem Schlamm zappelten. Es ging zu der Stiefmutter und zeigte ihr an dass die Arbeit vollbracht wäre. „Du hättest längst fertig sein sollen,“ sagte sie und ward blass vor Ärger, aber sie sann etwas Neues aus.
    Am dritten Morgen sprach sie zu dem Mädchen „dort in der Ebene musst du mir ein schönes Schloss bauen und zum Abend muss es fertig sein.“ Das Mädchen erschrack und sagte „wie kann ich ein so großes Werk vollbringen?“ „Ich dulde keinen Widerspruch,“ schrie die Stiefmutter, „kannst du mit einem durchlöcherten Löffel einen Teich ausschöpfen, so kannst du auch ein Schloss bauen. Noch heute will ich es beziehen, und wenn etwas fehlt, sei es das geringste in Küche oder Keller, so weißt du was dir bevorsteht.“ Sie trieb das Mädchen fort, und als es in das Thal kam, so lagen da die Felsen über einander aufgethürmt; mit aller seiner Kraft konnte es den kleinsten nicht einmal bewegen. Es setzte sich nieder und weinte, doch hoffte es auf den Beistand der guten Alten. Sie ließ auch nicht lange auf sich warten, kam und sprach ihm Trost ein, „lege dich nur dort in den Schatten, und schlaf, ich will dir das Schloss schon bauen. Wenn es dir Freude macht, so kannst du selbst darin wohnen.“ Als das Mädchen weggegangen war, rührte die Alte die grauen Felsen an. Alsbald regten sie sich, rückten zusammen und standen da, als hätten Riesen die Mauer gebaut: darauf erhob sich das Gebäude, und es war als ob unzählige Hände unsichtbar arbeiteten und Stein auf Stein legten. Der Boden dröhnte, große Seulen stiegen von selbst in die Höhe und stellten sich neben einander in Ordnung. Auf dem Dach legten sich die Ziegeln zurecht, und als es Mittag war, drehte sich schon die große Wetterfahne wie eine goldene Jungfrau mit fliegendem Gewand auf der Spitze des Turms. Das Innere des Schlosses war bis zum Abend vollendet. Wie es die Alte anfing, weiß ich nicht, aber die Wände der Zimmer waren mit Seide und Sammet bezogen, buntgestickte Stühle standen da und reichverzierte Armsessel an Tischen von Marmor, Kristallne Kronleuchter hingen von der Bühne herab und spiegelten sich in dem glatten Boden: grüne Papageien saßen in goldenen Käfigen und fremde Vögel, die lieblich sangen: überall war eine Pracht, als wenn ein König da einziehen sollte. Die Sonne wollte eben untergehen, als das Mädchen erwachte und ihm der Glanz von tausend Lichtern entgegen leuchtete. Mit schnellen Schritten kam es heran und trat durch das geöffnete Tor in das Schloss. Die Treppe war mit rotem Tuch belegt und das goldene Geländer mit blühenden Bäumen besetzt. Als es die Pracht der Zimmer erblickte, blieb es wie erstarrt stehen. Wer weiß wie lang es so gestanden hätte, wenn ihm nicht der Gedanke an die Stiefmutter gekommen wäre. „Ach,“ sprach es zu sich selbst, „wenn sie doch endlich zufrieden gestellt wäre und mir das Leben nicht länger zur Qual machen wollte.“ Das Mädchen ging und zeigte ihr an dass das Schloss fertig wäre. „Gleich will ich einziehen“ sagte sie und erhob sich von ihrem Sitz. Als sie in das Schloss eintrat, musste sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der Glanz. „Siehst du,“ sagte sie zu dem Mädchen, „wie leicht dirs geworden ist, ich hätte dir etwas Schwereres aufgeben sollen.“ Sie ging durch alle Zimmer und spürte in allen Ecken ob etwas fehlte oder mangelhaft wäre, aber sie konnte nichts auffinden. „Jetzt wollen wir

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