Das Grosse Spiel
Stange immateriell zu sein, und er fiel. Er konnte auf der Wippe sitzen, bis er zum Scheitelpunkt aufstieg; dann fiel er. Wenn das Karussell sich schnell drehte, konnte er sich an keiner der Stangen festhalten, und die Fliehkraft schleuderte ihn hinunter.
Und die anderen Kinder! Ihr Gelächter war rauh, beleidigend. Sie tanzten Ringelreihen um ihn und zeigten mit dem Finger und lachten viele Sekunden lang, bevor sie zu ihrem Spiel zurückkehrten.
Ender wollte sie schlagen, sie in den Bach werfen. Statt dessen ging er in den Wald. Er fand einen Pfad, der bald zu einer uralten Ziegelstraße wurde, stark überwuchert von Unkräutern, aber immer noch benutzbar. Zu beiden Seiten gab es Hinweise auf mögliche Spiele, aber Ender verfolgte keinen von ihnen. Er wollte sehen, wohin der Pfad führte.
Er führte zu einer Lichtung mit einem Brunnen in der Mitte und einem Schild, das besagte: »Trinke, Reisender.« Ender trat vor und sah sich den Brunnen an. Beinahe sofort hörte er ein Knurren. Aus den Wäldern erschienen ein Dutzend geifernder Wölfe mit menschlichen Gesichtern. Ender erkannte sie - es waren die Kinder vom Spielplatz. Nur waren ihre Zähne jetzt gefährlich; Ender, waffenlos, wurde rasch verschlungen.
Seine nächste Figur erschien wie gewöhnlich an derselben Stelle und wurde wieder gefressen, obwohl Ender versuchte, in den Brunnen hinunterzuklettern.
Das nächste Erscheinen jedoch erfolgte auf dem Spielplatz. Wieder lachten die Kinder ihn aus. Lacht nur, soviel ihr wollt, dachte Ender. Ich weiß, was ihr seid. Er schubste ein Mädchen. Wütend folgte sie ihm. Ender führte sie die Rutsche hinauf. Natürlich fiel er hindurch; aber da sie ihm so dicht folgte, fiel diesmal auch sie hindurch. Als sie auf dem Boden aufschlug, verwandelte sie sich in einen Wolf und lag betäubt oder tot da.
Eines nach dem anderen führte Ender die anderen Kinder in eine Falle. Aber bevor er das letzte von ihnen erledigt hatte, fingen die Wölfe an, wieder lebendig zu werden, und waren nicht länger Kinder. Wieder wurde Ender in Stücke gerissen.
Zitternd und schwitzend sah Ender seine Figur diesmal auf dem Tisch des Riesen wiederbelebt. Ich sollte aufhören, sagte er sich. Ich sollte zu meiner neuen Armee gehen.
Aber statt dessen ließ er seine Figur vom Tisch herunterfallen und um den Körper des Riesen herum zum Spielplatz marschieren.
Sobald das Kind diesmal auf dem Boden aufschlug und sich in einen Wolf verwandelte, schleifte Ender den Körper zum Bach und zog ihn hinein. Jedesmal zischte der Körper, als wäre das Wasser Säure; der Wolf wurde vernichtet, und eine dunkle Rauchwolke stieg auf und trieb davon. Die Kinder ließen sich leicht töten, obwohl sie ihm zum Schluß in Zweier- und Dreiergruppen zu folgen begannen. Ender stellte fest, daß ihn auf der Lichtung keine Wölfe erwarteten, und ließ sich am Seil des Schöpfeimers in den Brunnen hinab.
Das Licht in der Höhlung war trübe, aber er konnte Berge von Juwelen sehen. Er ging an ihnen vorüber und bemerkte, daß hinter ihm Augen zwischen den Edelsteinen glitzerten. Ein mit Speisen beladener Tisch interessierte ihn nicht. Er passierte eine Gruppe von der Höhlendecke hängender Käfige, die jeder irgendein exotisches, freundlich aussehendes Geschöpf enthielten. Ich spiele später mit euch, dachte Ender. Schließlich kam er an eine Tür, auf der in leuchtenden Smaragden die Worte prangten:
DAS ENDE DER WELT
Er zögerte nicht. Er öffnete die Tür und trat hindurch.
Er stand auf einem kleinen Vorsprung hoch an einer Klippe, von dem man über eine hell- und dunkelgrüne Waldlandschaft blickte, mit Einsprengseln herbstlicher Farben und hier und da Flecken gerodeten Landes, einer Burg auf einer Erhebung in der Ferne und Wolken, die unter ihm auf Luftströmungen ritten. Über ihm war der Himmel die Decke einer riesigen Höhle, mit Kristallen, die in gleißenden Stalaktiten herunterhingen.
Die Tür schloß sich hinter ihm; Ender musterte die Szene aufmerksam. Angesichts ihrer Schönheit kümmerte ihn wenig, für den Augenblick jedenfalls, was das Spiel an diesem Ort sein mochte. Er hatte ihn gefunden, und allein ihn zu sehen war Belohnung genug. Und so, ohne einen Gedanken an die Folgen, sprang er von dem Vorsprung.
Jetzt stürzte er abwärts auf einen aufgewühlten Fluß und schroffe Felsen zu; aber eine Wolke schob sich zwischen ihn und den Boden, während er noch fiel, fing ihn auf und trug ihn davon. Sie brachte ihn zum Turm der Burg und segelte mit ihm
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