Das Gutachten
wild
miteinander gefummelt. Chris hatte meine Bluse geöffnet und meine Brüste
geküsst und befingert. Ich weiß noch, dass der Taxifahrer außergewöhnlich
langsam durch die Stadt geschlichen war und auf jede Ampel förmlich zurollte,
bis sie rot wurde. So rot wie er im Gesicht.«
Ihr Ausdruck entspannte
sich, diese Anekdote amüsierte Sandra.
»Zweimal hat er so
unverhohlen in den Innenspiegel geglotzt, dass er erst angefahren ist, nachdem
andere Autofahrer ungeduldig gehupt hatten.«
»Weißt du noch, was du in
diesem Moment gefühlt hast? Also, gefühlt im Hinblick auf den Taxifahrer, der
euch beobachtete.« Der Psychologe sah interessiert zu Sandra, die ihre
Unterlippe zwischen die Zähne gezogen hatte.
»Gefühlt? Ich weiß nicht.
Auf jeden Fall ist mein Selbstbewusstsein an dem Abend mächtig gewachsen. Ich
habe ganz deutlich gemerkt, welche Wirkung ich auf die Männer in meiner Umgebung
hatte und das tat einfach nur gut.
Ich war in der Lage, meine
Reize ganz gezielt einzusetzen und das war definitiv ein geiles Gefühl.«
Wie um es ihm zu
demonstrieren zog Sandra bei den letzten Worten eine Augenbraue nach oben.
»Wir haben es dann in der
Nacht ein paar Mal miteinander gemacht. Obwohl Chris nicht mehr ganz nüchtern
war, hatte er eine erstaunliche Standhaftigkeit bewiesen und meine
Pornolektionen waren wahrlich nicht umsonst gewesen.
Naja, und kurz danach bin
ich eben bei ihm eingezogen. Meine Eltern fanden das zwar etwas früh, aber sie
waren froh, dass ich einen tollen Kerl aus einer so angesehenen Familie wie die
Wagners geangelt hatte.«
Die Erwähnung ihrer Eltern
hinterließ ein schales Gefühl bei Sandra und sie trank hastig einen weiteren
Schluck Wasser.
»Wir sind gleich fertig.
Die heutige Stunde ist unsere ... vorerst ... letzte.«
Sandra sagte nichts,
sondern starrte stumm in die Augen des Psychologen, die Augen, von denen sie in
den letzten Wochen schon mehrfach geträumt hatte.
Und aus heiterem Himmel
fing sie an zu weinen, unkontrolliert strömten die Tränen über ihr Gesicht und
sie bekam keinen Ton heraus.
»Sandra, was ist denn?«
Einen derartigen Gefühlsausbruch von ihr hatte Renn nicht erwartet. Er reichte
ihr ein Taschentuch, dass sie dankbar annahm.
»Aber, aber sie sind doch
..., sie sind doch der einzige Mensch, der im Moment für mich da ist.«
Zwischen zwei
Tränenschüben brachte sie den Satz heraus. Sie wollte gar nicht sagen, was
unbewusst schon seit Tagen in ihr brodelte. Doch jetzt konnte sie ihre Gefühle
nicht unterdrücken.
Die Stunden bei Dr. Renn
waren einzelne Lichtblicke in ihrem aktuell so verkorksten Alltag gewesen und
jedes Mal hatte sie sich darauf gefreut. Oft hatte sie in der Zelle gesessen
und sich mit ihm als imaginären Gegenüber unterhalten, wenn sie keine Lust oder
Kraft mehr gehabt hatte, in ihr Buch zu schreiben.
Er war ihr ständiger
Begleiter geworden, auch ohne physisch anwesend zu sein. Er war nun der starke
Mann in ihrem Leben und sie brauchte ihn. Ja, sie brauchte ihn.
»Wenn ich nun doch
verurteilt werde, gehen die Sitzungen mit ihnen hier im Gefängnis weiter?«
Die mitschwingende
Hoffnung in ihren Worten blieb ihm natürlich nicht verborgen.
»Sandra, es geht in dem
Verfahren erst einmal um deine Taten an sich. Unabhängig davon bleibt die
Frage, ob eine tiefer gehende Therapie für dich empfohlen oder sogar angeordnet
werden kann. Und so eine Therapie fällt in der Regel in meinen
Aufgabenbereich.«
Seine Augen verrieten
nichts, aber die letzten Worte beruhigten Sandra auf eine Weise, die sie wieder
zum Lächeln brachte.
Dr. Renn stand auf. »Auf
Wiedersehen, Sandra!« Er betonte die Silben ‚sehen‘ und drückte Sandras Hand
fest zum Abschied.
»Auf Wiedersehen, Herr
Doktor!«
Kapitel 35
Der Gerichtssaal
unterschied sich deutlich von den Räumen, die man aus spektakulären Filmszenen
kennt: Die sehr nüchterne Möblierung und eine rein praktische Anordnung der
Tische und Stühle verbreiteten eine kühle Atmosphäre.
Es war bereits der dritte
Verhandlungstag, als Dr. Renn in den Zeugenstand gerufen wurde. Nach den
üblichen Formalien, dem Verlesen der Anklageschrift und der Beweisaufnahme,
sollte es nun um Sandras Schuldfähigkeit in der ganzen Sache gehen.
Die Durchsuchung von
Chris‘ und Sandras Wohnung hatte den ermittelnden Beamten so viel Material
geliefert, dass sie kaum noch weitere Beweise suchen mussten. Neben den DVDs
mit kompromittierenden Filmen wurden unzählige Emails, Bankbelege, Scheckkopien
und
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