Die Kolonie Der Catteni
Kapitel Eins
Kristin Bjornsen fragte sich, ob der Sommer auf dem Planeten Barevi möglicherweise die einzige Jahreszeit war. In den neun Monaten seit ihrer Ankunft hatte es erstaunlich geringe Temperaturschwankungen gegeben. Sie hatte während ihrer Versklavung vier Monate in der anscheinend einzigen größeren Stadt des Planeten verbracht und nunmehr fünf Monate relativer Freiheit -wenngleich in einen ständigen Überlebenskampf verstrickt – in diesem Dschungel hinter sich, nachdem sie mit einem gestohlenen Flitzer aus der Stadt geflohen war. Ihr ärmelloses einteiliges Gewand war aus einem unzerstörbaren Material gefertigt, aber es eignete sich nicht für kalte Witterung. Der Ausschnitt war unanständig tief angesetzt, und der Rock bedeckte nur halb ihre langen Oberschenkel. Es war in seinem sehr schmalen Schnitt dem Minikleidchen nachempfunden, das sie an jenem Frühlingsmorgen während der Vorlesung getragen hatte, als die Schiffe der Catteni in Denver landeten, in einer der fünfzig Städte, die die Eroberer als Anschauungsobjekt ausgewählt hatten. Gerade war Kris noch unterwegs zu Uni gewesen, da gehörte sie schon zu den Tausenden verblüffter und entsetzter Bürger Denvers, die mit Energiepeitschen über die Rampe eines Raumschiffs getrieben wurden, neben dem die Queen Elizabeth ausgesehen hätte wie eine Badeente. Sobald sie in dem schwarzen Maul des Schiffs verschwunden waren, wurde Kris mit all den anderen sofort ein Opfer des geruchlosen Gases. Als sie und ihre Mitgefangenen wieder erwachten, befanden sie sich in den Sklavenställen von Barevi und warteten darauf, verkauft zu werden.
Kris zielte mit dem avocadogroßen Kern der Gorubirne, die sie soeben verzehrt hatte, auf den Zentralstengel eines vor ihr wuchernden Dickichts aus purpurroten Dornbüschen. Das Gestrüpp schoß sofort eine Salve winziger Pfeile in alle Richtungen ab. Kris lachte. Sie hatte gewettet, daß es weniger als fünf Minuten dauerte, bis der junge Busch seine Waffen ersetzt hätte. Und er hatte es geschafft. Die größeren brauchten länger, um neue Raketen in Stellung zu bringen. Sie hatte einen triftigen Grund gehabt, um das herauszufinden.
Geistesabwesend griff sie über ihrem Kopf nach einer weiteren Gorubirne. Nichts auf der guten alten Erde schmeckte auch nur annähernd so gut wie sie. Sie biß genußvoll in das feste rötliche Fruchtfleisch, und sein süßer Saft rann an ihrem Kinn herab und tropfte auf ihre sonnengebräunten Brüste. Sie zupfte an einem Träger ihres hautengen Kleides und wischte den Saft ab. Die Kleidung war ideal für Sonnenbäder, aber was war im Winter? Und sollte sie nicht lieber als Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit Nüsse sammeln und auf den Felsen am Fluß Gorubirnen trocknen? Sie betrachtete naserümpfend ihre zur Hälfte verzehrte Gorubirne. Sie schmeckten wundervoll, aber wenn man sich nur davon ernährte, hatte man irgendwann einen bohrenden Hunger nach anderen Grundnahrungsmitteln. Indem sie die Lebewesen des Dschungels beobachtet hatte, konnte sie in etwa in Erfahrung bringen, welche anderen Pflanzen für sie genießbar waren. Durch ihr Überlebenstraining wußte sie, daß sie oberflächliche Verträglichkeitstests mittels ihrer Haut machen konnte. Zweimal hatten Substanzen, die von den Bodentieren in großen Mengen vertilgt wurden, heftige Hautreaktionen bei ihr ausgelöst, aber die Vögel hatten sie auf andere Speisen aufmerksam gemacht. Ihre Tätigkeit in der Nahrungsmittelzubereitungs-Einheit ihres »Meisters« hatte ihr Hinweise auf andere Stoffe geliefert, nach denen sie Ausschau halten konnte – allerdings gediehen nur wenige davon wild im Dschungel. Aber es gab kleine Fische mit gelblichen Schuppen im Fluß, die sie mit Eiweiß versorgten und ihr zu ausgiebiger körperlicher Betätigung verhalfen.
Ein leises Summen fesselte ihre Aufmerksamkeit. Sie stand auf, balancierte elegant auf einem hohen Baumast. Indem sie die Zweige auseinanderschob, schaute sie hinauf zum wolkenlosen Himmel. Zwei der zahlreichen Monde, die Barevi umkreisten, waren im Westen zu sehen. Darunter reflektierten winzige Punkte, die am Himmelszelt umhersegelten, funkelnd den Sonnenschein.
Die Jungs haben schon wieder eine Jagd ausgerufen, dachte sie und lehnte sich, immer noch lächelnd, an den Baumstamm, um es sich auf ihrem Tribünenplatz gemütlich zu machen. Im Dschungel gab es eine ganze Menge ausgesprochen großer, wilder Bestien, denen sie bisher stets hatte aus dem Weg gehen können, indem
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