Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Strohkopf ab, Fürst!«, rief Nekras.
»Nein, lasst ihn uns in der Havel ersäufen!«, widersprach sein Zwillingsbruder.
»Unsinn, das ist viel zu leicht«, protestierte Mila, die junge Witwe aus der Vorburg, mit schriller Stimme. »Bindet ihn im Wald an einen Baum, damit die Bären ihn fressen!«
Tugomir hob die Linke, und allmählich kehrte wieder Ruhe ein.
»Was denkst du, Asik?«, fragte er den sächsischen Gefangenen. »Welches Urteil wäre gerecht? Du warst schließlich Schultheiß von Magdeburg und kennst dich aus mit Recht und Unrecht.«
»Ich bin ehrlich nicht sicher, Fürst«, antwortete Asik freimütig. »Du hast mich aus dem Elend der Sklaverei erlöst, aber die Freiheit geschenkt hast du mir nicht. Du hast mir die Frau gegeben, um die ich gebeten habe, aber du hast sie gleichzeitig aus der fürstlichen Familie ausgeschlossen. Denk nicht, ich wüsste nicht, wie anständig du zu mir warst. Aber was genau ist es, wofür du glaubst, Anrecht auf meine Loyalität zu haben? Markgraf Gero hingegen ist mein Vetter. Ihm schulde ich in der Tat Loyalität, denn wir haben das gleiche Blut. Er schickte mir einen Boten und befahl mir, Tuglos Plan, dich zu beseitigen, zu unterstützen. Ich wusste weder, dass Slawomir mit Prinz Henning unter einer Decke steckte, noch wusste ich, dass Gero zugestimmt hatte, seine eigene Tochter und seinen Enkelsohn zu verbrennen. Als ich das begriff und erkannte, dass er einfach nicht bei Trost ist, sobald es um dich geht, habe ich dich losgeschnitten und dir mein Messer gegeben, sodass du deine Frau und dein Kind vor den Flammen retten konntest.« Er zuckte ratlos die Schultern. »Offen gestanden, ich weiß nicht, wie ich entscheiden würde. Aber ich weiß dies: Die Zerrissenheit und die widerstreitenden Loyalitäten, die mich in den letzten Wochen gequält haben, sind dir alles andere als fremd. Darum möchte ich nicht mit dir tauschen, Fürst.«
Tugomir lächelte verhalten. »Du bist ein kluger Redner, Asik. Es wäre wirklich schade um deinen Kopf.«
Asik stand reglos, hielt möglicherweise sogar die Luft an.
Tugomir ließ ihn noch ein paar Atemzüge im Ungewissen. So viel Rache musste schon sein, fand er. Jedes Wort, das Asik gesagt hatte, war die Wahrheit, aber dennoch blieb die Tatsache, dass er an dem Komplott gegen Tugomir und seine Familie beteiligt gewesen war, und das durfte nicht ungestraft bleiben. »Du behältst dein Leben«, sagte er schließlich.
Hier und da gab es Protestrufe, auch vereinzelte Schreie der Empörung.
Tugomir reichte das blutige Schwert an eine der Wachen. »Wascht es ab«, bat er. »Hier wird es heute nicht mehr gebraucht.« Und als wieder Ruhe auf der Wiese vor der Halle eingekehrt war, verkündete er Asik sein Urteil: »Du behältst dein Leben, aber ich schicke dich und deine Frau in die Verbannung.«
»Du lässt ihn laufen?«, fragte Nekras ungläubig. »Aber er ist unsere Geisel!«
»Wir brauchen keine Geisel mehr«, erinnerte Semela ihn. »Ich weiß nicht, welche Art von Schwur der Fürst Gero, diesem Teufel, abgenommen hat, aber sei versichert, dass wir kein Druckmittel gegen den Markgrafen mehr brauchen.«
Tugomir nickte. Er hatte Geros Friedensschwur – ganz gleich, wie zähneknirschend der ihn geleistet hatte –, und er hatte Ottos Dankbarkeit. Das war genug.
»Ich schicke euch in die Verbannung«, wiederholte er. »Dich und Jarmila, der Junge bleibt hier. Er ist Dragomirs Sohn und wird als Ziehbruder meines Sohnes aufwachsen.«
Asik verzog den Mund bei dem Gedanken, was seine Frau dazu sagen würde, aber er erhob keine Einwände.
»Ihr bekommt Proviant für drei Tage, aber keine Pferde«, fuhr Tugomir fort. »Die Jarovit-Priester bringen euch mit verbundenen Augen in den Wald zu einer Buche, wo für jeden Verbannten die Reise ins Ungewisse beginnt. Und von da an seid ihr in Gottes Hand. Überlege dir gut, wohin du deine schwangere slawische Frau führst, Asik. Die Elbe und deine Heimat liegen im Westen. Die Festung deines Vetters Gero im Süden. Eine lebenswerte Zukunft für dich und die Deinen vielleicht im Norden bei Fürst Ratibor und seiner angelsächsischen Fürstin. Wenn die Wölfe und Bären euch nicht bekommen, liegt die Entscheidung allein bei dir, und somit gebe ich die Qual der Wahl deines Schicksals zurück in deine Hände.«
Asik schluckte und brauchte einen Moment, ehe er ihm wieder in die Augen schauen konnte. Dann nickte er. »Hab Dank, Fürst.«
»Spar dir deinen Dank, bis du siehst, ob ihr lebend irgendwo
Weitere Kostenlose Bücher