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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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immer erst einen Namen, wenn er sie durch das Schreiben gut genug kennengelernt hat, und dann gibt es eine feierliche Taufe. Bis dahin müssen sie mit irgendwelchen Blödsinnsnamen über die Seiten laufen: »Johnny« Walker zum Beispiel wurde erst auf Seite hundertfünf zu »Gordon«. Wie »Gordon’s Dry Gin«. Haha. Unglaublich komisch. Manchmal begreife ich nicht, wie erwachsene Männer über so einen Quatsch in Lachkrämpfe verfallen können.
    Ich ging weiter, während Jonathan seinen Einkaufskorb mit Konserven füllte und dann in die Getränke-Ecke verschwand.
    »Hallo, Adrian.« Lizzie strahlte mich an. Sie war wie immer total freundlich, ungefähr so alt wie Maman, klein, rundlich und rosig und sie hatte einen dunklen Haaransatz in ihren blonden Locken. Ich wartete immer darauf, dass ich sie mal komplett blond erwischte, aber der Ansatz war immer da – und immer ähnlich breit. Vielleicht ließ sie ihn sich gleich so mitfärben.
    »Hallo, Lizzie.« Sie wurde von allen so genannt, deshalb hatte ich auch keine Hemmung, das zu tun. Als Kind hatte ich sie »Tante Lizzie« genannt, aber jetzt war ich einen Kopf größer als sie und glaube, sie hätte das auch doof gefunden.
    »Schön, dass ihr mal wieder da seid, du und deine Elt…, deine Famil…, dein Vater und sein Lebensgefährte, wollte ich sagen.« Sie wurde rot.
    Ich räusperte mich für sie mit und deutete auf die Gläser im Regal. »Gibt es immer noch diese sauren gelb gestreiften Bonbons?«
    Sie nickte und tauchte unter die Theke, wahrscheinlich, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Ich war diese Reak t ionen inzwischen gewöhnt und ärgerte mich nicht mehr darüber. Ich wartete, bis sie wieder hochkam, und fragte: »Lizzie, das große Haus neben unserem Cottage – wohnt da jemand? Ein Mädchen?«
    Sie lehnte sich gegen den Tresen und verschränkte die Arme, zog die Unterlippe zwischen die Zähne und rollte mit den Augen. Das Thema schien ihr zu missfallen. »Heathcote Manor meinst du. Das steht schon lange leer.«
    Sie musste sich irren. Ich hatte das Mädchen doch dort gesehen. »Aber ...«, begann ich.
    Sie lächelte an mir vorbei. »Mr Magnusson. Was kann ich für Sie tun?«
    Jonathan stellte seinen Korb auf die Theke. In der anderen Hand hielt er einen Kasten Wasser. »Ich brauche noch ein paar Sachen, könnten Sie mal sehen, was Sie davon haben?« Er legte seinen Zettel neben den Korb und zeigte auf den Wasserkasten. »Den bringe ich schon ins Auto.« Lizzie nickte und Jonathan ging hinaus.
    »Adrian?« Lizzie überflog Jonathans Einkaufszettel und warf mir einen Blick zu. »Wenn du dich für das Haus interessierst, solltest du das Museum besuchen. Eliette Burges kann dir bestimmt was darüber erzählen.« Sie füllte mir eine Tüte saure Bonbons ab und schob sie mir hin. »Steck ein.« Sie blinzelte. Ihre Augen waren so blau wie die einer Babypuppe.
    »Danke«, sagte ich. »Ms Burges. Die frage ich, gerne.«
    »Eigentlich müsstest du auch die alte Ms Vandenbourgh besuchen. Sie hat als Kind dort gelebt. In dem Haus an der Klippe.« Lizzie winkte mich geheimniskrämerisch näher und ich beugte mich nun auch vor. »Dort sind schlimme Dinge passiert«, wis p erte sie. »Da war die Geschichte mit ihrer Tochter, man sagt, sie war behindert oder geisteskrank oder so was, und sie hat das Mädchen in die Staaten geschickt, weil es da bessere Behandlungsmöglichkeiten gibt, und da soll das Mädchen später gestorben sein. Kurz danach sind diese grässlichen Morde passiert und dann sind sie alle fortgezogen. Als sie wieder zurückkam, ohne ihren Mann, aber mit der neuen Schwiegertochter, hat ihr Sohn von ihr nichts mehr wissen wollen, und Ms Vandenbourgh ist seitdem ein bisschen ... nun ja ... plemplem.« Sie nickte mir bedeutungsvoll zu.
    Ich konnte weder lächeln noch zurücknicken. Diese Art von Klatsch war abstoßend. Was ging mich die Familiengeschichte anderer Leute an? Und ein bisschen plemplem – das traf in gewisser Weise auch auf mich zu.
    Gerade kam Jonathan wieder herein, gefolgt von einem langen, dürren Mann, vollkommen schwarz gekleidet in eine Art Gehrock, mit einem Zylinder auf dem Kopf und grauen Handschuhen. Wahrscheinlich war er der örtliche Bestattungsunternehmer. Er hatte ein langes, trauriges Gesicht und sah irgendwie besorgt aus.
    Jonathan fing an, die Posten auf seinem Zettel mit Lizzie durchzugehen. Ich musterte die Zeitschriften und Comics in der Auslage. Während ich eine Illustrierte in die Hand nahm und

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