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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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so auch nur liegen.« Er klang verletzt. Ich hätte meinen Vater in dem Moment treten können. Er konnte so unglaublich gefühllos sein!
    Ich streckte die Hand über den Tisch und berührte sein Handgelenk. »Ohne dich wären wir wahrscheinlich längst verhungert«, sagte ich.
    Er nickte abwehrend. »Ist schon okay«, sagte er dann. »Ich kenne Toby. Er meint es nicht so.«
    Das stimmte zwar, aber trotzdem ...
    Moriarty räusperte sich. »Master Adrian«, sagte er, »wenn ich Ihre kostbare Zeit noch mal in Anspruch nehmen dürfte?«
    Ich ignorierte ihn. »Toby ist ein verdammter Egoist«, sagte ich zu Jonathan.
    »Du meinst Egozentriker«, murmelte er und versenkte seinen Blick in sein leeres Bierglas. »Ich nehme noch so eins. Du?«
    »Ich auch«, sagte ich. Probieren kann man es ja mal.
    Er griff nach meinem leeren Coke-Glas, stand auf und warf n och einen Blick über die Schulter, ehe er zur Theke ging. »Wenn du dich zu Hause nicht verquatschst ...«
    Ich grinste und hob den Daumen. Toby war strikt dagegen, dass ich Alkohol zu mir nahm. Sein Glück, dass ich das Zeug in der Regel nicht mochte. Von etwas Stärkerem als Bier wurde mir sofort schlecht, und auch Bier mochte ich nicht mal besonders gerne. Aber es war schön, hier mit Jonathan zu sitzen und sich zu unterhalten, als wäre unser Leben genauso normal wie das aller anderen Menschen und böte keine größeren Probleme als angebrannte Spiegeleier, schlechte Zensuren und gelegentlich eine Autopanne.
    Moriarty rückte ein Stück näher und legte seine behandschuhte Hand neben meinen Arm. »Master Adrian«, sagte er drängend, »es wäre wirklich vonnöten, dass wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten. Darf ich Sie heute Abend in Ihrem Domizil aufsuchen?«
    Jonathan schäkerte am Tresen mit der Bedienung, die das sichtlich genoss. Ich drehte mich zu Moriarty um. »Was wollen Sie von mir?«, fragte ich leise und wütend. »Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe? Ich kann keinen mehr von Ihrer Sorte brauchen. Hauen Sie ab!«
    Er nickte kummervoll, stand auf und nahm seinen Hut. »Es tut mir außerordentlich leid, Sie verärgert zu haben, Master Adrian«, flüsterte er und verneigte sich. »Ich erlaube mir, mich zu empfehlen.«
    Ich sah ihm nach, wie er hinausging. Beinahe tat er mir leid – aber nur beinahe.
    Jonathan brachte unsere Biergläser und setzte sich wieder. Er hob mir sein Glas entgegen. »Santé« , sagte er.
    » Yehes da« , erwiderte ich. Nicht, dass ich den kornischen Dialekt verstehen oder gar sprechen konnte, ich hatte nur hier und da ein paar Brocken aufgeschnappt, wie dieses »Zum Wohl«. Ich sah, dass sich ein älterer Mann an der Theke zu uns umdrehte und lachend sein Glas in meine Richtung hob.
    »Yehes da« , rief er.
    Ich erwiderte den Gruß und nippte. Das Bier war bitter und kräftig, ich mochte es nicht. Ich trank einen zweiten Schluck und stellte das Glas ab.
    Jonathan hatte sein Glas schon halb geleert. »Und?«, fragte er.
    »Hm«, machte ich. »Ich sollte bei Cola bleiben.«
    »Dein Vater wäre froh, das zu hören.« Er zwinkerte mir zu.
    »Weißt du was über die Leute, die im Heathcote Manor wohnen?«
    »Wo?« Er blickte zerstreut zur Tür.
    »Unser Nachbarhaus. Das Haus an der Klippe.«
    Er trank und schob das Glas über den Tisch, von rechts nach links und wieder zurück. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. »Nichts«, erwiderte er kurz. »Wer soll denn da wohnen?«
    Ich gab es auf. Wenn Jonathan in Gedanken war, dann konnte er genauso übellaunig sein wie Toby.
    »Gehen wir«, sagte er jetzt und stand auf. Ich hatte keinen Schluck mehr aus meinem Bierglas getrunken, aber er schien nicht gewillt zu sein, deswegen auf mich zu warten.
    Ich beeilte mich, hinter ihm herzukommen. Er hatte die Hände in den Taschen vergraben und das Kinn an die Brust gezogen, stapfte voran, ohne nach rechts und links zu blicken.
    Ich dachte an den Hinweis, den Lizzie mir gegeben hatte. »Jonty«, rief ich, »ich möchte noch kurz am Museum vorbeigehen. Fahr schon vor, ich komme zu Fuß nach.«
    E r hob bestätigend die Hand, ohne sich zu mir umzudrehen. Ich blieb stehen und sah ihm nach, wie er die Straße hinauf und um die Ecke ging. Dann machte ich mich auf zum Museum. Vielleicht würde ich ja dort etwas über das Mädchen mit den grauen Nebelaugen erfahren.

4
    Das Museum – ein winziges Cottage in der steil ansteigenden Dunn Lane, die vom Hafen zum kleinen Marktplatz führte – war geschlossen. Neben der Haustür stand eine Art Schirmständer,

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