Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
mit Margrit in ihr hinterlassen hatte, zu schwinden.
Dennoch. Sie hatte so sehr gehofft, dass Margrit ihr weiterhelfen würde. Es hatte sie eine Menge Mut gekostet, der mütterlichen Haushälterin ihr Herz auszuschütten, und was hatte es ihr gebracht?
Zumindest in einem Punkt herrschte nun aber doch Klarheit. Es gab tatsächlich etwas in ihrer Vergangenheit, über den keiner der drei sie aufklären wollte. Irgendein dunkler Fleck, der ihre Ehe mit Patrick betraf.
Gerade deshalb kann ich auch noch immer nicht verstehen, warum du … Hätte Margrit doch nur weitergesprochen. Stina musste einfach wissen, was vorgefallen war. Es musste etwas sehr Bedeutsames sein, wenn niemand es wagte, das Thema auch nur anzuschneiden.
Es war alles so verwirrend. Der Mann, der in ihren Erinnerungen – oder waren es Träume? – auftauchte, hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Patrick, den sie kannte. Dieser war so charmant, so hilfsbereit und freundlich, und er schien sie tatsächlich zu lieben. War es möglich, dass sie sich das alles vielleicht nur einbildete?
Vielleicht waren diese düsteren Gedanken, die sie nun schon seit einer geraumen Weile quälten, ja nur Nachwirkungen ihres Unfalls. Dr. Magnusson hatte ihr erklärt, dass ein so traumatisches Ereignis durchaus zu seelischen Problemen führen konnte, und …
“Stina?”
Sie zuckte zusammen, als sie Patricks Stimme vernahm. Dicht hinter ihr blieb er stehen. Er war ihr so nah, dass sie sein herbes Aftershave riechen und seine Körperwärme spüren konnte, und mit einem Mal begann ihr Herz, heftig zu pochen. Der Wunsch, von ihm berührt zu werden, war beinahe übermächtig und irritierte sie zutiefst. Sie wagte es nicht, sich zu ihm umzudrehen, denn sie fürchtete, dass er ihr die Verwirrung von den Augen würde ablesen können.
“
Hej
, Patrick. Es ist einfach wunderschön hier draußen.”
“Bedrückt dich etwas?”, erkundigte er sich besorgt.
Stina schüttelte den Kopf. “Nein, es ist schon in Ordnung. Ich bin heute vielleicht ein wenig melancholisch, das ist alles.”
“Ich habe mit Margrit gesprochen. Sie meinte, du würdest mir gern einige Fragen stellen.”
Stina atmete tief durch. “Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich mich einfach damit abfinden, dass mein Gedächtnis nie wieder zurückkehrt. Es ist fast so, als hätte ich ein neues Leben begonnen.” Sie wandte sich nun doch zu ihm um, schaute ihn direkt an. Als ihre Blicke sich trafen, lag ein seltsamer Ausdruck in Patricks Augen. “Das könnte man immerhin auch als Chance betrachten, findest du nicht?”
“Ja, ich denke, man könnte es durchaus auf diese Weise sehen”, erwiderte er. “Was meinst du, sollen wir ins Haus gehen? Es wird langsam ein wenig kühl.”
Stina nickte. “Ja, du hast recht.”
Sie wollte sich gerade an ihm vorbeischieben, als ihre Hände sich wie zufällig streiften. Die Berührung traf Stina wie ein elektrischer Schlag. Etwas Derartiges hatte sie noch nie zuvor erlebt. Voller Verblüffung schaute sie Patrick an und stellte fest, dass auch er irritiert wirkte.
“Ich …”
Stina fühlte sich wie in Trance, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Was war plötzlich mit ihr los?
“Stina …” Wie automatisch hob Patrick die Hand, und dieses Mal ließ er sie nicht wieder sinken. Federleicht strichen seine Finger über die weiche Haut an ihren Wangen. Dann zog er Stina an sich und beugte sich zu ihr hinunter, bis ihre Lippen sich beinahe berührten. Sie erschauerte und hoffte, er würde es nicht merken. Im nächsten Augenblick umfasste er ihr Gesicht und küsste sie, bis sie das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Stina schloss die Augen und gab sich ganz den Liebkosungen seiner sinnlichen Lippen hin. Nicht einen Moment dachte sie daran, den Kuss zu beenden. Und so war es Patrick, der sie schließlich sanft von sich schob.
Enttäuscht öffnete Stina die Augen. Es hatte so gutgetan, in seinen Armen zu liegen. Für einen Moment hatte sie alle Sorgen und Probleme vergessen, die ihr auf der Seele lagen.
Vielleicht war es verrückt gewesen, Patrick zu küssen und sich von ihm küssen zu lassen. Nein, in ihrer Situation war es sogar ganz sicher verrückt. Doch wie konnte etwas, das sich so richtig angefühlt hatte, falsch sein?
“Es tut mir leid”, flüsterte Patrick rau. Er stand jetzt mit dem Rücken zu ihr. Im schwindenden Licht der Abendsonne hob sich seine kantige, männliche Silhouette scharf vom Hintergrund des Sees ab. “Ich hätte niemals so die
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