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Das Haus der kalten Herzen

Das Haus der kalten Herzen

Titel: Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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kleine Mercy. »Es gibt noch ein drittes. Das hübscheste Boot, das mit dem Baldachin. Jemand anderes muss es genommen haben.«
    Die Oberfläche des Sees war glatt und mitternachtsblau, mit kobaltblauen Kräuseln und goldenen Streifen, wo das Wasser die letzten glühenden Sonnensprenkel vor den Wolken spiegelte.
    »Bleibt nicht zu lange weg«, rief Thekla. »Es wird bald dunkel.«
    »Bring uns zur Insel«, befahl die kleine Mercy. »Chloe möchte den Tempel sehen.«
    Geübt wendete der Diener das Boot. Der See war wie der Fußabdruck eines Riesen geformt. In seiner Mitte erhob sich die Insel, die von Century aus zu sehen war, ein Fixpunkt im großen Entwurf. Wenn man vor dem Haus stand, wirkte der kunstvoll verfallene Tempel groß und beeindruckend. Aus der Nähe betrachtet, erinnerte Mercy sich, war er nicht ganz so imposant.
    Schon nach ein paar Minuten hatten sie die Insel erreicht. Der Diener legte an einem kleinen Steg auf der Leeseite an, wo das dritte, das größere Boot bereits festgemacht hatte. Die Mädchen kletterten an Land. Mercy lief hinter ihnen her. Ihr war so, als wüsste sie bereits, wer das dritte Boot zu der winzigen Insel gebracht hatte. Chloe und die kleine Mercy liefen nebeneinander her, lachten und steckten die Köpfe zusammen, als ob sie ein Geheimnis miteinander teilten. Sie redeten ohne Punkt und Komma. Selbstverständlich war die Insel nicht natürlichen Ursprungs. Wie der nicht weit entfernte Wasserfall und die Grotte war sie kunstvoll angelegt worden, gerade groß genug, um den wirkungsvoll zerstörten Tempel und ein halbes Dutzend Bäume zu tragen. Beim Näherkommen fingen die Mädchen an, hinter vorgehaltener Hand zu flüstern. Sie liefen auf Zehenspitzen. Nun konnte Mercy aus dem Tempel eine Männerstimme hören, damit hatten sich ihre Vermutungen bestätigt. Die kleine Mercy und Chloe kletterten auf einen Erdwall hinter dem Tempel. Sie legten sich auf die Bäuche und spähten über die Kuppe auf die Leute unten. Mercy tat es ihnen gleich.
    »Deine Schwester«, flüsterte die kleine Mercy Chloe zu. Die beiden lagen Schulter an Schulter.
    Zwischen den sich verjüngenden Marmorsäulen und den herumliegenden Steinblöcken unter dem Dach, das groß genug war, um Besuchern Schutz und Schatten zu bieten, entfaltete sich eine romantische Szenerie. Decken und Kissen, ein Korb voller Speisen. Claudius saß zurückgelehnt, eine junge Frau legte den Kopf auf seine Schulter. Sie redeten nicht, aber Claudius streichelte ihre Hand und dann ihre Wange. Er musste die Mädchen gehört haben, denn er schaute sich um.
    »Sie haben Spione ausgeschickt«, sagte er. »Wir sind nicht allein, Marietta.«
    Die Frau lachte, sie setzte sich aufrecht hin und brachte ihr Kleid in Ordnung.
    »Kommt schon her, Mercy und Chloe«, sagte Claudius laut. »Verstecken nützt nichts. Wir haben das Boot über den See fahren sehen. Und wir konnten euch flüstern hören.«
    Er war gut gelaunt und neckte sie. Dann stand er auf. »Soll ich euch suchen?«, fragte er. »Ihr bringt mich in Zugzwang. Kommt! Wenn ihr euch jetzt zeigt, teilen wir vielleicht diesen köstlichen Pflaumenkuchen mit euch. Wenn nicht, esse ich ihn womöglich ganz allein auf.«
    Die Mädchen schauten sich an, wurden sich wortlos einig und rannten dann den Wall wieder hinunter zum Tempel. Mercy folgte ihnen langsam. Sie fürchtete, dass Claudius sie vielleicht sehen könnte, deshalb blieb sie vor dem Tempel hinter der Mauer stehen.
    Von diesem unbefriedigenden Aussichtspunkt studierte sie Marietta so gut sie konnte. Sie hatte sehr helle Haut und rotbraunes Haar wie Chloe, allerdings war Mariettas Haar dunkler und glatt, während Chloes sich lockte. Sie war sehr schlank und hatte lange, elegante Hände.
    Sie war der Geist unter dem Eis.
    Natürlich. Aber ja!
    Alles war bekannt. Die Schwierigkeit lag nur im Erinnern.
    Mercy ballte ihre Hände zu Fäusten. Wieder schaute sie Marietta an. Sie erinnerte sich an die Eisdecke, die wie ein Schleier gewesen war, und an die meergrüne Farbe von Mariettas Haar unter Wasser.
    Die kleine Gesellschaft war glücklich. Marietta schnitt den Kuchen auf und neckte ihre kleine Schwester. Die kleine Mercy saß neben Claudius auf einer Marmorstufe.
    »Wie geht es dem Geburtstagskind?«, fragte er. »Hat dir dein Fest gefallen?«
    »Ja, danke«, sagte Mercy und schmiegte sich an Claudius’ Arm.
    »Und du, Chloe, hast du viel Kuchen gegessen?«
    Chloe nickte. »Ganz viel«, sagte sie.
    »Na, nun sind wir alle hier«, sagte

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